Revisited 7
Mit einem Nachwort von Klaus Kastberger
202 Seiten / Hardcover

€ 23.00

ISBN 978-3-85286-215-6

Rudolf Brunngraber

Prozeß auf Tod und Leben

Roman

Wieder entdeckt: Einer der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts zum Thema Antisemitismus, basierend auf einer wahren Begebenheit und prominent verfilmt von Georg Wilhelm Pabst.

Ungarn 1882: Im Dorf Tisza-Eszlár wird die junge Magd Esther von ihrer Dienstgeberin, der Bäuerin Bátori, erbarmungslos ausgebeutet. Auch von ihrer Mutter wird dem armen Mädchen keine Unterstützung zuteil. Als Esther am Palmsamstag unweit der Synagoge spurlos verschwindet, macht die Kunde, die Juden aus dem Dorf hätten Esther zu Pessach geopfert, schnell die Runde. Bald wird aus dem verhetzenden Gerücht ein bestimmendes Thema in den politischen Kreisen Budapests – und auch in den internationalen Zeitungen wird groß über den angeblichen Ritualmord berichtet. Der halbwüchsige Moritz Scharf, Sohn des jüdischen Tempeldieners, der sich von den religiösen Traditionen lossagen will, wird zum Spielball der antisemitischen Hetze. Sowohl in der Provinz als auch in Budapest wittern judenfeindliche Politiker und Staatsanwälte die Chance, mit diesem Fall ihre Karriere vorantreiben zu können. Bald beginnen auch deutschnationale Politiker in Berlin sich für den Fall zu interessieren. Das Gerücht aus einem kleinen ungarischen Dorf wird zum Staatsakt und es kommt zu einem spektakulären Prozess auf Leben und Tod ...

Georg Wilhelm Pabst erfasste die politische Dimension dieser Ereignisse und gab das Drehbuch zu „Der Prozeß“ in Auftrag. Sein Film „Der Prozeß“ und Brunngrabers Roman erschienen gleichzeitig.

Rudolf Brunngraber, dem Autor von „Karl und das 20. Jahrhundert“, gelang mit dieser genau recherchierten literarischen Anklage eines der fesselndsten Gerichtsdramen der Literaturgeschichte und ein kluger und erschütternder Appell für eine aufgeklärte Gesellschaft.

G.W. Pabst stellte seinen Film 1948 bei den Filmfestspielen in Venedig vor und war für den Goldenen Löwen nominiert. Ernst Deutsch wurde in Venedig zum besten Hauptdarsteller gekürt, der junge Josef Meinrad glänzte in einer frühen Rolle als Untersuchungsrichter Bary.

Moritz starrte in den Mondhimmel hinauf, an dem zwischen den ziehenden Wolken nur wenige Sterne standen, und meinte zu vergehn vor Angst. Voll Unbegreifen sah er sein junges Leben in das schwarze Grab gemündet; der finstere Himmelsraum darüber, mit dem nun so seltsam wirklichen Mond, den Wolken und den Sternen, erschien ihm als der unendliche Raum einer unendlichen Erbarmungslosigkeit, und er konnte es auch nicht mehr fassen, dass zwischen seiner Grabestiefe und dem leeren und unbarmherzigen Raum Land lag, mit Häusern und Dörfern, mit Straßen und Städten und zahllosen Menschen. In dieser Sekunde bat Moritz auch allen für ihn Verlorenen, seinem Vater, seiner Stiefmutter und den Juden im Dorf, die ihm nun unwiederbringlich fern und entzogen erschienen, voll brennender Reue das Leidwesen ab, das er ihnen verursacht hatte.

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