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Buchreihen
221 Seiten, Klappenbroschur
€ 17.90
ISBN 978-3-85286-226-2
Als E-Book in allen einschlägigen Stores erhältlich.
Wien-Sylt. Ein Familienroman über die Unmöglichkeit einer Familie im Jahr 2011. Bernhard Moshammer liefert mit seinem dritten Roman einmal mehr großartige, intelligente Erzählkunst
Die Mittelschichtserde bebt: Als Lotte, 44, sich nach einer verhängnisvollen Geburtserfahrung mit ihrem zweiten Sohn körperlich wie seelisch am Boden sieht, verlässt ihr Mann, der Dramaturg Lutz, 46, sie wegen einer Vierundzwanzigjährigen. Anselm, 16, eröffnet daraufhin seinen Eltern, dass er sich fortan um das Kind seiner Freundin, Nadja, 18, kümmern will. Die Familie scheint – wie alles im Jahr 2011 – dem Zusammenbruch entgegenzusteuern.
Dann passiert Unerwartetes: Lotte trifft eine radikale, nachhaltige Entscheidung, Lutz sagt Burn Out und haut ab nach Sylt, Anselm schreibt ein vielversprechendes Theaterstück. All dies ist für Lottes Eltern, die fest der Meinung sind, dass der dekadente Fatalismus der Gegenwart uns alle direkt in die Hölle führen wird, bloß Bestätigung. Soviel ist der gesamten Familie klar: Die Zukunft wird kein Honiglecken!
Dein Name ist Lotte, 44, du bist verheiratet mit Lutz, 46, Mutter von Anselm, 16, und dem zwei Monate alten Nachzügler Jura.
Jura, sagt deine Mutter, sei eine Studienrichtung (und selbst das nur bei den verdammten Deutschen), kein Name. Du verweist sie auf Jura Soyfer – der sei ein jüdischer Kommunist gewesen, sagt sie dann. »Ja, und?«, sagst du, worauf ein Blick deiner Mutter folgt, den du lieber nicht deuten willst.
Dein Vater nennt Anselm Amsel. Seit sechzehn Jahren. Du bist dir bis heute nicht im Klaren, ob das als gezielte Provokation gemeint ist – natürlich empfindest du es als solche, Anselm selbst hat sich längst damit abgefunden, es sei ihm auch scheißegal, sagt er – oder tatsächlich eine Begrenztheit deines Vaters zutage bringt (ein gar nicht unbefriedigender Gedanke, wie du zugeben musst), seine sprachlichen Fähigkeiten also schlichtweg überfordert. So was gibt’s. Du musst immer an deinen Klassenkameraden Anton denken, der es nicht zuwege gebracht hatte, das Wort verdammt als solches auszusprechen; immer hatte sich ein p vor das t zwischen seine Lippen geschwindelt: verdampt! Und warum auch immer – wie so vieles im Leben sich einfach verselbstständigt, sagst auch du verdampt, wenngleich du auch ohne Mühe verdammt sagen könntest, was wiederum deine Eltern als Affront gegen sich, ihre Bildung oder gleich die ganze westliche Zivilisation verstehen.
Lutz ist Dramaturg am Wiener Burgtheater. Wenn du gefragt wirst, was er da so tut, wirst du verlegen und sagst einfach: »Er liest viel.« Du verstehst nicht ganz, warum er nicht nur tagsüber, sondern zumeist bis spät in die Nacht im Haus sein muss, wie er das nennt (Schnitt auf eine allabendliche Szene in der Theaterkantine: Schütter behaarte Männer in schwarzen Sakkos mit Plastik-taschen oder abgegriffenen Kartonschnellheftern, Schauspieler und Schauspielerinnen im Kostüm oder privaten, trashigen Designeroutfits; man trinkt Bier, Weißwein, Aperol Sprizz). Er selbst hat es auch nie geschafft, dir in einfachen Worten zu erklären, was genau es bedeutet, eine sogenannte Produktion dramaturgisch zu betreuen (»Hat auf jeden Fall mehr mit Psychologie als mit Dramaturgie zu tun.«), aber du stellst das nicht mehr in Frage, hast dich daran gewöhnt wie an so vieles in diesen achtzehn Jahren eurer Beziehung. So hat euer Sohn nicht allzu viel von seinem Vater gehabt und du möglicherweise zu viel von eurem Sohn (Schnitt auf deine empört aufspringende Mutter) – aber wie auch immer, ihr habt euch mit den Jahren zu einem funktionalen System entwickelt, dessen magische Kraft euch immerhin durch die kompliziertesten Zeiten zu tragen imstande ist. Du magst das Gefühl von Familie (von deiner Familie wohlgemerkt, also von euch dreien – hoppla, ihr seid ja vier … tschuldige, Jura). Auch wenn du keine Ahnung vom Alltag deines Mannes hast. Das ist nicht weiter schlimm, sagst du dir, hat doch dein Mann auch keine Ahnung von deinem Berufsleben, wenngleich du ihn liebend gerne in Details einweihen würdest. Wenn du ehrlich bist, kränkt es dich immer noch, dass er sich nie auch nur annähernd dafür interessiert hat, aber so ist das eben. Du selbst warst früher Sozialarbeiterin und hast vor ein paar Jahren eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin absolviert – zwar würdest du viel lieber stolz auf ein Türschild schauen, das dich als Psychotherapeutin ausweist (Zitat Psychotherapeutin, 31, die auf ihrer Website ungefähr dreißig schwerwiegende Symptome unterschiedlichster Natur benennt, welche ihre Therapie in den Griff zu bekommen verspricht, beim Überfliegen der beinahe identischen Website einer Lebens- und Sozialberaterin: »Das ist doch lächerlich. Eine Lebens- und Sozialberaterin verhält sich zur Therapeutin bestenfalls wie ein Lehrling zum Meister!«), aber das war nicht drin – zu langwierig, zu teuer, die Familie, die Zeit. Lebensberaterin ist aber auch okay – man könnte sagen, auch du betreust Produktionen, denn was ist ein Menschenleben anderes als eine enorme, im Grunde unmögliche Produktion, die trotz aller Widrigkeiten in welcher Form auch immer dennoch stattfindet. Ein Theaterstück als Analogie zum Leben zu begreifen, hat dir schon oft geholfen. Auch weisen die nächtlichen Gespräche mit Lutz unaufhörlich auf solche Parallelen hin. Du liebst diese Gespräche, sie sind das, was eure Beziehung ausmacht (Schnitt auf euch beide in Unterwäsche, das dritte oder vierte Glas Wein in der Hand, endlos diskutierend – Anselm nennt das Streiten, total nervig); du liebst diese Parallelen und du vermisst sie, jetzt wo sich alles um den kleinen Zwerg dreht. Du bist immer auf der Suche nach Gemeinsamkeiten, nach eurer gemeinsamen Straße, die ihr Hand in Hand entlanggeht, bis dass der Tod und so weiter (dein Lieblingslied ist The Long And Winding Road), während Lutz einfach seinen Weg zu gehen scheint und damit zufrieden ist (er hat nicht einmal ein Lieblingslied, das ist ihm zu banal – wenngleich er auch immer alle Leute wegen ihrer Lieblingslieder nervt; wäre er gezwungen, sich für eines zu entscheiden, würde er wahrscheinlich sagen: »Das Frühwerk Dylans.« Oder: »Das Jahr 1976.« Oder: »Irgendwas von Mahler.« Oder einen Song von Ian Dury oder Frank Zappa, den kein Mensch kennt, weil er nur als Demoaufnahme auf der B-Seite einer vergriffenen 45er drauf ist – selbstverständlich aus dem Jahr 76).
Du warst es auch, die sofort darauf bestanden hat, die ungeplante, späte Schwangerschaft durchzuziehen, weil du der Möglichkeit einer ablehnenden Haltung seinerseits zuvorkommen wolltest. Er hat sich dann aber gar nicht dagegen gewehrt – im Gegenteil, seine Freude war spontan, authentisch und anhaltend. Das war schön, du warst richtig glücklich. Lutz ist ein guter Mann, trotz allem ein guter Ehemann, du bist dir seiner Liebe sicher, er ist ein für seine Begriffe bemühter Vater. Er ist, wie er ist und er ist besonders, das weißt du; ihn kennengelernt, ihn gefunden zu haben, ist das Besondere in deinem Leben – ein Glücksfall, die Antwort auf deine Frage, der Deckel zu deinem Topf. Und jetzt, wo Jura da ist, verbringt er auch wieder mehr Zeit zu Hause. Das ist schön und kostet ihn eigenartigerweise nicht einmal Urlaubszeit. Aber egal, er ist hier, und das rund um die Uhr. Muss er aber auch, nichts anderes bleibt ihm übrig, denn dir geht’s definitiv nicht gut.
Durch die persönlichen Geschichten seiner Protagonisten, den flüssigen Dialogen und der unbeschwerten Erzählweise mit teils experimentellem Einschlag ist Bernhard Moshammer ein intelligenter und unterhaltsamer Roman gelungen.
Julia Zarbach, Ö1
Moshammer (hat) einen facettenreichen, genre-verspielten Roman geschrieben. Dabei geht er wie ein Geo-Soziologe vor. Er bietet dem Leser eine präzise, wegweisende und reflektierende Analyse an, indem er aktuelle Entwicklungen metaphorisch mit den Ereignissen im Erdmittelalter vergleicht.
Eine kluge Lektüre, die zudem Spaß macht!
Angelo Algieri, literaturhaus.at
Sehr locker geschrieben, nach dem Spaß merkt man, wie weise das Buch ist.
Peter Pisa, Kurier
Das Auseinanderdriften einer Mittelschichtfamilie vergleicht Bernhard Moshammer mit der Kontinentaldrift. Ein rasanter, humoristischer Roman.
Anna-Maria Wallner, Die Presse am Sonntag
2013-01-26 - Die Presse am Sonntag
Bernhard Moshammer: Guten Tag, Dilemma!
Über "Die Zukunft wird kein Honiglecken"
http://diepresse.com/home/kultur/literatur/1337353/Bernhard-Moshammer_Guten-Tag-Dilemma?_vl_backlink=%2Fhome%2Fkultur%2Fliteratur%2Findex.do
2012-11-08 - literaturhaus.at
Angelo Algieri über Bernhard Moshammers "Die Zukunft wird kein Honiglecken"
http://www.literaturhaus.at/index.php?id=9692
2012-10-31 - falter
Ewige Flamme, wechselnde Partner
Sebastian Fasthuber über Bernhard Moshammers "Die Zukunft wird kein Honiglecken"
http://www.falter.at/web/shop/detail.php?id=38119
2012-09-30 - Ö1 Ex Libris
Die Zukunft wird kein Honiglecken
Julia Zarbach über Bernhard Moshammers Roman
http://oe1.orf.at/artikel/318592