195 Seiten, Broschur

€ 18.90

ISBN 978-3-85286-239-2

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Vanessa Wieser, Markus Köhle

Heiraten schön trinken

Kurze Geschichten zum ewigen Bund

23 kurze Geschichten zum ewigen Bund: Von Altar bis Zirrhose, von Polterabend bis Standesamt, von fürstlichen Torten und fürchterlichen Brautkleidern. Pfiffige Geschichten und praktische Tipps – das Geschenkbuch mit allem Drum und Dran, und Fotos! Bis dass der Tod uns scheidet.

Schön trinken geht weiter! Diesmal befassen wir uns mit einem Thema, das wohl keinen kalt lässt. 23 originelle Geschichten erzählen von kuriosen Erlebnissen auf Hochzeiten, Polterabenden, am Standesamt, beim Brautklau etc. Doch auch Praktisches kommt nicht zu kurz: ein Standesbeamter wird von seiner Arbeit berichten, kuriose Brautmoden, Hochzeitstorten und neueste Wedding-Planner-Trends werden vorgestellt. Wie kleidet sich die türkische Braut? Wie poltern die Serben? Was ging Fürstin Charlène bei ihrer Hochzeit durch den Kopf? Welche sind die 10 besten Hochzeitsfilme und -bücher? Vorsicht: Sie werden gleich heiraten wollen.

Beiträge von: Austrofred, Cornelia Travnicek, Hans Platzgumer, Nora Gomringer, Manfred Gram, Tex Rubinowitz, Jan Off, Paul Pizzera, Dominika Meindl, Katinka Buddenkotte, Mario Tomic, Peter Zimmermann, u. v. m.

Nora Gomringer
Malers Mops

Es ist natürlich die Geschichte der zweiten Eheschließung meines Bruders, die ich beschreiben möchte. Die Geschichte einer liebevoll auf Brautpaar und Gäste abgestimmten Feier, die meine Brüder aus nah und sogar amerikafern anreisen und zum Ende des Abends tanzen ließ. Es soll und darf die Schönheit meiner neuen Schwägerin, die das Kleid einer griechischen Kore trug und meinen kleinsten Neffen mit der Sanftheit einer Göttin handelte, mit Rosenworten ausgestaltet sein. Alle Freunde wurden liebevoll umsorgt und zu einem Fest geladen, das seinen eigenen Ort – einen Sandstrand an einem See, seinen eigenen Food-Designer, eine durchdringende Durchdenkung erlebt hatte. All das will ich natürlich in Ihrem Verständnis für die Szenerie fest installiert wissen, auf dass Sie verstehen können, wie herrlich seltsam, wie schräg und ganz und gar unpassend, wie nötig bei gleichzeitiger Unnötigkeit das Hereintreten des nun folgenden Mopses in dieses Ereignis war.
Canis ex machina erschien mit einem glitzernden Halsband, eiligen Schrittes, leicht japsend und – soweit sich das für mich beurteilen ließ – in hoher Stimmung. Mops kam. Mops hatte Hochzeitslaune. Vor allen anderen Gästen wurde ich seiner gewahr und begann sofort in die Knie zu gehen und die Worte »Mops, Mops« zu quieken, ganz wie es mir entspricht, wenn der Anblick von Teilen der Erdenschöpfung die Areale meines Gehirns aktiviert, die für Verzückung verantwortlich sind. Ich nenne dann alles beim konkreten Namen, gerne wiederholt und voller Glück. (»Auto, Auto!«, »Baby, Baby!«, »Wohnung, Wohnung!« etc) In der Tat war ich selig, die Hochzeitsgesellschaft von diesem besonderen Gast bereichert zu sehen und wähnte das Tier den Besitz eines Gastes. »Mops, wem gehörst du?« war die erste Investigativfrage, die ich dem Tier stellte. Eine weit ausgefaltete rote Zunge konnte in einem hechelnden Mund weder Vokale noch Konsonanten bilden und so musste eine Erklärung zunächst ausbleiben. Meiner Hand sehr zutraulich, wandte sich das Tier mit seinem Kopf vertrauensvoll nah an mich heran, und meine kluge Mutter, die wahrgenommen hatte, daß ich so schnell nicht wieder wie ein gut erzogenes Mädchen am Tisch sitzen würde – schließlich war »Mama! Ein Mops im Raum!« –, begann, mir bei der Befragung des Tiers indirekt behilflich zu sein. Als wäre es abgesprochen, rollte sie zügig einen aufgeteilten Fleischklops über den Tisch auf meinen Teller, wo ich ihn auch von meiner knieenden Warte aus greifen und dem Tier anbieten konnte. Mops fraß mit Wonne. Seine vorstehenden Augen glänzten, wir bandelten an. Dem einen Fleischklops folgten weitere, meine Mutter hielt die Versorgungskette am Laufen. Mops fraß und fraß, während ich mein Glück kaum fassen konnte, so viel wertvollen Kontakt zu ihm hergestellt zu haben – zwar durch Bestechung, aber immerhin. »Mops, wo ist dein Herrchen? Na? Mops, seit wann bist du da? Ich habe dich gar nicht wahrgenommen bis gerade eben. Bist du schon lange hier?« All diese Nichtigkeiten sagte ich allen Ernstes und unterbrach mich selbst hie und da in meinem Fragenkatalog, um aufzuschauen auf Tischkantenhöhe und einen Gast der Feier auszumachen, der in meiner Vorstellung wie Mops’ Besitzer aussah. Mops besaß die volle Autorität des schweigenden Tieres, wackelte mit seinem Hinterende, das keinen Schwanz führte, aber offensichtlich voller hocherfreuter Seele steckte. Mops’ Halsband war fünfreihig mit kleinen Strasssteinen besetzt. Mops war chic. Das Halsband war edel, kein Ramsch. Für Mops gemacht? Fragte ich mich. Eine Hundemarke fand ich nicht da-ran. »Mops« blieb vorerst »Mops«.
Weil dies ein Tag der Wunder war: ein Eheversprechen, meine Familie an einem Tisch, sogar der Onkel mit seiner Familie nahezu vollzählig vor Ort, war es ganz selbstverständlich, dass mit einem Mal der Leipziger Maler, ja der Weltstar der Malkunst Neo Rauch durch die Glastür zu uns hereintrat, von niemandem außer mir im Trubel der Fröhlichkeit wahrgenommen. »Neo Rauch, Neo Rauch!« – da war sie wieder: die Verzückung. Etwas zu auffällig, um als unauffällig zu gelten, zischte ich meiner Mutter noch einmal die Doppelnamensnennung zu und wies mit meinem Tischkantenhöhenkopf in seine Richtung, immerhin kniete ich noch, um so viel Bodenhaftung und Körperkon-takt wie möglich zu Mops halten zu können. Meine Mutter, ebenfalls zu expressiv, um noch als »fein« zu gelten, grimassierte mir ein Fragezeichengesicht entgegen und zischte zurück: »Glaub ich nicht. Sieht er so aus?« Dabei dehnte sie das O, und ich – Neo Rauch nur aus dem Internet, dem Fernsehen, und aus Fotostrecken in Magazinen kennend, aber sicher nicht leibhaftig –, ganz Kopf-über-Kante, nickte wild, überzeugungswillig. Mops leckte meine Fleischklopshand. Meine Welt war knallbunt, die Hochzeit übertraf längst all meine Erwartungen.

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