262 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag

€ 23.00

ISBN 978-3-90295-084-0

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Peter Zimmermann

Aus dem Leben der infamen Menschen

Roman

Kurt und Rudi haben das Überleben im Krieg gelernt. In der Zeit danach lernen sie auch noch das erfolgreiche Geschäfte machen. Ein Roman über eine Familie und eine grandiose Geschichte über Menschen, die sich ungeachtet der moralischen Dimensionen für ihren Vorteil entscheiden.

Kurt Fauland und Rudi Mosgöller sind Freunde und Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Sie träumen vom schnellen Geld, wenn nötig auch durch krumme Geschäfte. Ihr Kommandant Eisenmenger macht es ihnen vor – er betreibt illegalen Morphiumhandel und verdient sich damit eine goldene Nase. Dann ist der Krieg aus, und Kurt und Rudi wollen durchstarten. Sie werden Schieber, Erpresser, Rudi verliert ein Bein und Kurt steigt auf zum Rotlicht- und Schwarzmarktkönig. Dieser geniale Roman erzählt die Geschichte einer Familie dreier Generationen, in der sich Aufstieg, Hochblüte und Niedergang einer bürgerlichen Gesellschaft spiegeln: proletarische Herkunft, Gewalterfahrung im Krieg, von der Kleinkriminalität bis zum organisierten Verbrechen in der Zeit nach 1945. Dann die Verbürgerlichung, der Aufstieg zur einflussreichen Kraft in Wirtschaft und Politik. All das wird nicht als großes Panorama entworfen, sondern von den wichtigsten Figuren erzählt: Das Große zeigt sich im Kleinen. Gegen Ende des Romans beginnen sich die Fäden zwischen den Romanfiguren zu straffen, und das Geflecht der geheimen Verbindungen umschlingt auch den Leser, der von dieser raffinierten Erzählung schwer in den Bann gezogen wird.

Wer kümmert sich da um einen Mann, der vor dem Postamt steht und eine Zigarette raucht, als hätte er alle Zeit der Welt? Es ist Freitagabend, die Kinos sind offen, die Bars buhlen um die Nüchternen, und die Restaurants verschlingen die Hungrigen, die es sich leisten können, ihren Hunger in Gesellschaft zu stillen. Es sind nicht wenige, sie haben eine Zigarette zwischen den Lippen und eine Frau imArm. Wie viele Wohnungen stehen jetzt leer und kalt? Das Leben spielt sich auf der Straße ab, und wer ein Ziel hat oder auch keines, schaut nicht so genau auf den Mantel des Mannes, der den Rauch gelassen in die Dezembernacht bläst wie jemand, dem nichts mehr davonläuft, der mit sich im Reinen ist, obwohl dieser Mantel, dieser Filmschauspielermantel, mehr hermacht als die meisten Mäntel, in denen all die Körper mit den rasch pochenden Wochenendherzen stecken. So einen Mantel bekommt man nicht einfach im Kaufhaus, und auch nicht den Hut mit der smaragdfarbenen Schleife, so fett sind die Jahre nicht, dass sich jeder wie Curd Jürgens abends vor dem Filmpalast aufpflanzen kann, als hörten die Kameras um ihn herum gar nicht mehr auf zu surren. Es ist ja nur ein Postamt, und einer wie Fauland zieht die Blicke nicht auf sich, niemand dreht sich nach ihm um, auch wenn jeder, der an ihm vorbeigeht, weiß, dass da etwas ist, etwas, nicht jemand, an dem man besser nicht anstreift. Es ist der Geruch. Man wittert etwas, schlägt einen Haken, ohne zu wissen, warum, als hätte man für eine Sekunde geträumt, von diesem Tier zum Beispiel, das von der Seite auf einen zuläuft und zum Sprung ansetzt. Die Männer wissen, wie sich eine Waffe anhört, die durchgeladen wird. Sie hört sich harmlos an wie ein Tischfeuerzeug, man duckt sich weg, gelernt ist gelernt.
Fauland hebt die Hand und schnippt den Zigarettenstummel auf den Asphalt, es spritzt rote Funken, dann ertrinkt die Glut. Er dreht sich um, die Hutschleife glänzt wie der Panzer eines Tropenkäfers, und drückt sich durch die Drehtür des Postamts. Kurz vor Schalterschluss ist hier viel los, Briefe wollen auf den Weg gebracht werden, Telegramme, Postkarten, Pakete, als gäb’s kein Morgen. Jemand summt ein Weihnachtslied, Schultern stoßen aneinander, Hüte verrutschen, Brillengläser trüben sich ein. Der Saal ist überheizt, auf feuchten Stirnen und Nasenrücken spiegelt sich das weiße Licht von der Decke. Fauland hat keine Eile, Schritt für Schritt durchquert er die Halle, schiebt die Körper von sich weg, als wären sie Puppen, da ist kein Widerstand und kein empörter Blick. Es geht ein Geruch von ihm aus, der Angst erzeugt, die schon einmal da war. In den Sümpfen am Pripjet und in den Kellern der zerrissenen Häuser.
Vor den Telefonzellen ist das Gedränge am größten, aber das kümmert Fauland nicht. Er geht geradewegs zur Zelle drei, öffnet die Glastür und bedeutet dem dünnen Mann mit der Zigarette unter dem kecken Menjoubärtchen mit einer unmissverständlichen Bewegung des rechten Zeigefingers das Weite zu suchen. Das macht der auch, ohne zu murren, er legt den Hörer auf, scheint sich an seine Tage beim Barras zu erinnern, lässt die Zigarette fallen und nimmt kurz Haltung an, ehe er sich, ohne nach links und rechts zu schauen, zum Ausgang drängt. Dann schließt Fauland die Tür hinter sich, zündet sich wieder eine Zigarette an und wählt eine Nummer. Er muss nicht lange warten. Am anderen Ende meldet sich ein Mann mit einer Stimme wie aus Glas, das gleich bricht.
»Hallo«, sagt er, »hier bei Grünwald …«
»Doktor Eisenmenger«, sagt Fauland forsch, als habe er den Namen überhört, »das ist mein letzter Anruf …«
»Sie irren sich, hier spricht …«
»Sie haben sich nicht an die Abmachung gehalten, Doktor Eisenmenger,
deshalb war’s das …«
»Aber warum wollen Sie denn … legen Sie nicht auf, bitte … Grünwald, Eisenmenger, ich verstehe wirklich nicht, legen Sie nicht auf, wo ist … wie geht es … bitte, bleiben Sie dran, ich bitte Sie, seien Sie doch …«
»Das war’s, Doktor Eisenmenger, grüßen Sie mir die Herren, die Ihnen Gesellschaft leisten.«
Fauland legt auf, sieht auf die Uhr, macht einen tiefen Zug an der Zigarette und drückt den Stummel auf der Wählscheibe aus. Er stößt die Tür auf und drängt sich durch die Wartenden hindurch zum Ausgang. Draußen steht der dünne Mann mit dem Menjoubärtchen und lächelt. »Das ging ja presto«, sagt er. Fauland nimmt ihn am Arm und zieht ihn aus dem Licht. »Fahren wir«, brummt er, »in zwei Minuten blinkt hier überall Blaulicht.«

Keine leichte Lektüre, aber ein mitreißendes Zeitbild vor allem der Nachkriegszeit, wo die seelischen Verletzungen des Krieges noch frisch sind. (…) Peter Zimmermann war schon immer ein Garant für außergewöhnliche Literatur.

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Zimmermann geht es darum, zu zeigen, wie sich die Folgen von Verbrechen über Generationen auswirken. Es ist ein Familienroman in bester Tradition.

Spunk Seipel, Literaturhaus Wien




Nachkriegszeit: Peter Zimmermanns Roman "Aus dem Leben der infamen Menschen"

Wien – Die Sümpfe, Märsche und Toten des Zweiten Weltkriegs stecken den Kameraden Kurt und Rudi noch in den Köpfen. Autor Peter Zimmermann überwindet jene Schlachtfeldszenen aber schneller, als ihm der dieses überspannende "dunkelblaue, wolkenlose Himmel, über den die Sonne wie ein aufgeschlagenes Ei zerfließt und an den westlichen Rand hinuntertropft", aus der Feder geronnen sein mag.

In seinem neuen Roman beschreibt der Ö1-Redakteur und Moderator der Büchersendung ex libris eine Nachkriegskarriere der anderen Art: Heimgekehrt, werden der Koch und der Kellner Ganoven, machen am Schwarzmarkt und im Rotlicht ihr Glück und Geld. Politiker findet Kurt, der zum Mastermind wird, zwar am ehrlichsten, wenn er sie schmiert, aber bald schon schüttelt er ihnen die Hand, baut Einkaufszentren mit Unterhaltungsprogramm und Wohnungen. Aufstieg geglückt.

Aber Glück verfolgt die beiden Familien sonst nicht. Zwar öffnet der Familienname noch der Enkelgeneration alle Türen. Aber sie ist – wir lernen sie mit Achim kennen – vom Erfolg des Patriarchen erschüttert. "Er habe das Gefühl, nie eine Wahl gehabt zu haben", heißt es über den Staatsanwalt, der zum Stressabbau Kreditkarten fladert und sich mit kurzen Bekanntschaften erleichtert.

Vieles nur skizziert

Zimmermann erzählt in gern im Ornat zum Punkt findender Sprache eine Spanne von rund 70 Jahren. In achronologischer Kapitelfolge mit wechselnden Figuren im Fokus wird vieles nur skizziert, bleibt manches im Unklaren, löst sich anderes erst spät auf. Das Epische einer Generationensaga (die mittlere bleibt mit einer psychisch schwachen Tochter dramaturgisch wichtig, erzählerisch eher blass) zerbröselt wie ihr Objekt.

Das ist metaphorisch geglückt. Kriegs- und Nachkriegszeit mit ihren spannenden spezifischen Bedingungen von Neuanfang und Wirtschaftswunder allerdings sind nur grob gezimmerte Kulissen für die Geschichte dieser kleinen, schmuddeligen Dynastie mit ihren persönlichen Verwerfungen, die letztlich mehr die üppige Behauptung aufstellen, interessant zu sein, als zu interessieren.


Michael Wurmitzer, Der Standard

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