Revisited 8
Mit einem Nachwort von Murray G. Hall
199 Seiten / Hardcover

€ 22.50

ISBN 978-3-85286-216-3

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Hugo Bettauer

Die freudlose Gasse

Ein Wiener Roman aus unseren Tagen

Wieder entdeckt! Das Elend in der Melchiorgasse ist allumfassend: Alle, die es schaffen, aus dieser freudlosen Gasse herauszukommen, kehren ausgebrannt und todkrank doch wieder dahin zurück. Bettauer führt uns in diesem „Roman aus unseren Tagen“ eine Gesellschaft vor Augen, die von unersättlicher Besitzgier und grenzenloser Menschenverachtung geprägt ist!

Wien 1921. In der Melchiorgasse im 7. Gemeindebezirk liegen bittere Armut und Luxus nahe beieinander: Kuppler, erbarmungslose Geschäftemacher und Spekulanten verkehren hier ebenso wie durch die rasende Nachkriegsinflation verarmte Bürger, zur Prostitution gezwungene junge Frauen und das Wiener Lumpenproletariat. Die Hoffnung auf ein besseres Leben scheint hier nur Schimäre.

Zwei besonders üble Gestalten in der freudlosen Gasse sind der Fleischermeister Geiringer und die Schneiderin Greifer, die einen Modesalon mit angeschlossenem Nachtklub betreibt. Geiringer erzwingt von zahlungsunfähigen Frauen sexuelle Dienste; Greifer schlägt als bösartige Kupplerin aus dem Unglück junger Frauen Kapital.

Auch die junge hübsche Büroangestellte Grete Rumfort lebt mit ihrer Familie in der Melchiorgasse. Sie wehrt sich seit langem gegen die sexuellen Avancen ihres Chefs, verliert deshalb ihre Anstellung und wird als Folge ihrer Schulden in die bösen Machenschaften Greifers verstrickt.

Werteverlust und eine korrumpierte Gesellschaft, Eifersucht und Hunger treiben die Menschen zu Verzweiflungstaten. Die Frage, ob es letztlich zu einer Rettung, einer Verbesserung der äußert kargen Lebensumstände kommen kann, beantwortet Hugo Bettauer auf eindringliche Weise.

Gier, Laster, Mord und Verderben. Ein Wiener Sittenbild aus der Feder von Hugo Bettauer, dem Autor von „Stadt ohne Juden“.

G.W. Pabst verfilmte „Die freudlose Gasse“ 1925 mit Greta Garbo, Asta Nielsen und Werner Kraus in den Hauptrollen.

„Von einem abscheulichen Kerl ist ja keine Rede, Fräulein Grete! Ich denk’ an einen feschen, eleganten Herren, der Ihnen gefallen wird. Und Sie brauchen sich ja nichts zu vergeben, gar nichts! Die Männer von heutzutag sind ja gar nicht so, daß sie gleich alles wollen. Wenn Sie gescheit sind, dann halten Sie ihn hin, so lange es Ihnen paßt. Ich kenn’ einen feinen Herrn, einen schönen, stattlichen Mann, er heißt Löhner und ist furchtbar reich. Wenn Sie den richtig zu behandeln verstehen, so können Sie Millionen, Schmuck, Perlen, Kleider von ihm haben – was Sie wollen. Verlassen Sie sich nur auf mich, Fräulein Grete, ich wer’ Ihr Glück schon machen. Wenn ich das nicht genau wüßt, hätt’ ich doch nicht das viele Geld für die Kleider kreditiert. Ich bin ja selbst eine arme Frau und muß schauen, daß ich zu meinem Geld komm’.“
Aus den Pfoten der Katze, die eben noch geschmeichelt und gestreichelt hatte, fühlte Grete die Krallen auftauchen. Zitterndes Angstgefühl bemächtige sich ihrer und doch auch wieder der Wille zum Leben. Millionen, Kleider, Juwelen – und das alles vielleicht nur für einen flüchtigen Kuß, an dem ihr Herz nicht beteiligt sein würde. Pah, das konnte man riskieren, das wusch man wieder mit Seife und Wasser ab, wie einen Rußfleck!
Die Türglocke hatte geläutet und nun kam Fräulein Henriette mit zwei eleganten jungen Damen herein. Die eine, eine wahrhaft junonische brünette Erscheinung, die andere klein und zierlich wie eine Puppe. Beide trugen Pelzmäntel, die sie jetzt ablegten. Stark dekolletierte Abendkleider und viel Schmuck kamen zum Vorschein. Frau Greifer stellte vor: „Fräulein Lona und das kleine Fräulein Gisis. Das ist Fräulein Grete, die jetzt schweren Kummer hat. Ich wer’ ihr schon helfen, auf mich kann man sich verlasen, was, meine Damen?“

Bei der Lektüre dieses hochinteressanten, spannend zu lesenden Schlüsselromans fält als erstes auf, dass Bettauer ein ausgezeichneter Beobachter und unbestechlicher pointierter Chronist der sozialen und politischen Umstände seiner Zeit war. In struktureller Hinsicht wird deutlich, dass der Forsetzungsroman mit seinen gut verdaulichen, überschaubaren Häppchen und seinen zahlreichen überraschenden Wendungen auch für die Bedürfnisse des heutigen Lesers das ideale Medium ist. (...) Bettauer benutzt die sich entfaltende Krimihandlung, um tief in das Milieu der Hoffnungslosen, der Missbrauchten und Verlorenen einzutauchen, um herauszufinden, ob man sich mit eigener Kraft aus dem Elend zu befreien vermag. Wie in fast allen seiner Romane porträtierte sich der zur Selbstüberschätzung neigende Autor auch hier wieder selbst: als "einer der geistvollsten Causeure der Wiener Journalistik", der am Ende nicht nur eine rein gebliebene weilbliche Seele vor dem drohenden Elend der Gasse zu retten vermag, sondern auch ihre Liebe gewinnt.
Jüdische Zeitung, Nr. 69, Nov. 2011

Rezensionen

2012-04-11 - Neue Zürcher Zeitung
Böses Wiener Blut
Franz Haas zur Hugo Bettauers "Die freudlose Gasse"
http://www.nzz.ch/magazin/buchrezensionen/boeses-wiener-blut_1.16380853.html

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