156 Seiten, Broschur

€ 17.90

ISBN 978-3-902950-383

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Mieze Medusa

Meine Fusspflegerin stellt Fragen an das Universum

Geschichten

Mieze Medusa erzählt von Ex-Models, Geschäftsfrauen, Freundschaften, Patchwork-Familien, von Großstadt und Landleben und den Wegen dazwischen. Acht Geschichten aus dem Hier und Heute.

Irgendwas ist immer. Der Spargel kommt zu spät zum Fotoshooting. Die Katze ist solidarisch mit deiner Schwiegermutter. Dein Assistent übernimmt in einem hostile takeover deinen Job und kein Pudel taucht auf, der dir Geld und Macht für deine Seele bietet. Deine Tochter redet nicht mit dir. Du versuchst mit Schafzucht die Welt zu retten. Im Wald fällt ein Baum. Deine Freundin hat im Pornoladen eine Spardose gekauft und spart für ihre Brust-OP. Für den ersten Seitensprung deines Lebens hast du wirklich die falschen Schuhe an. Deine Fußpflegerin stellt Fragen an das Universum und das Schlimmste ist: Sie bekommt Antworten, die dir nicht passen.

Was ist Vermögen, wie wird es gespeichert?
Was ist Sicherheit? Ist das Sicherheitsversprechen, das eine Gemeinschaft, eine Familie, ein soziales Netz oder ein Staat gibt, im Einzelfall überhaupt einlösbar?
Und was passiert, wenn nicht?
Mieze Medusas Protagonistinnen werden von all diesen Fragen beschäftigt und überprüfen - teils freiwillig, teilsweise von einem außerordentlichen Ereignis dazu gezwungen - ihre Beziehungen auf deren Haltbarkeit.

Ich steige in seinen Geruch wie in einen Lift, und der bleibt stecken. Es riecht nach Mittagessen, Körperpflege, nach letzter Nacht und so, als hätte sein Leben Wände, und er schon länger kein Fenster mehr geöffnet. Schlecht riecht er nicht, doch er kommt mir zu nahe, wenn er so neben mir steht, mit verschränkten Armen und urban wie ein Wolkenkratzer. Er heißt Fabian, ist sieben Jahre jünger als ich, braun gebrannt, ein bisschen verkatert und mein Chef. Einer meiner Chefs.
Das Telefon läutet, ich verbinde mit Susanne, Spezialis-tin für Food Photography. Der Spargel kommt spät. Sie schmeißt das Telefon auf die extra deshalb gepolsterte Tischoberfläche, greift nach den Zigaretten und stürmt in den Innenhof. Heute ist Adrenalintag. Das Fotostudio im Hinterhof ist am Nachmittag extern vermietet, die Dead-line für den Spargelshoot mit Optimismus angesetzt.
Bernhard, Grafiker, versteckt sich hinter Kopfhörern, die ein halbes Monatsgehalt kosten. Ich bin hier die Einzige mit einem Monatsgehalt, die anderen verwirklichen ihre Vorstellung von Arbeit auf Projektbasis. Neben Bernhard, Susanne und Fabian arbeiten hier Jonathan, Drupal-Experte und Hip-Hop-Fan; Jelena, freie Journalistin mit Schwerpunkt auf feministische- und Gendertheorien und ein paar Temps, die die Infrastruktur anmieten, wenn der Laden läuft, oder wenn ihnen daheim die Decke so auf den Kopf fällt, dass die diversen Caffè Lattes in diversen Lokalen entlang der Gumpe teurer kommen als eine Woche Büroplatz.
Wenn prekäre Arbeit die neue Kaffeehausliteratur ist, dann ist mein Arbeitsplatz ein Wiener Salon. Es ist immer was los, ein Wimmelbild aus Ideen, neuen Turnschuhmarken und Witzen, die bei Buzzfeed geklaut werden. Alle sind so mit ihrer Identität beschäftigt, dass ich mich wundere, wann sie zum Arbeiten kommen. Ich bin die Odd One Out, mit meiner Fixanstellung, die sich meine Chefs nicht leisten können. Ich weiß das, ich mache die Buchhaltung. Mein Lebensmittelgroßeinkauf am Wochenende und mein vorgekochtes Mittagessen sind ihnen so fremd wie die rituelle Verspeisung der Gegner, die die Azteken praktiziert haben.
»Haben sollen!«, wirft da Jelena ein, »unsere Vorstellungen vom Leben der indigenen Völker sind, wo nicht falsch, total kolonial geprägt. Hat denn hier niemand Achille Mbembe gelesen? Foucault? Derrida? Judith Butler, anyone?«
An guten Tagen fühlt sich die Arbeit hier an wie meine Zweitfamilie. An schlechten Tagen auch.

Erfrischend unbeschwert und dennoch stilistisch souverän sind ihre Texte, immer wieder lassen originelle Wortkreationen innehalten und motzen auch Geschichten mit bereits bekanntem Grundsetting aktuell auf, bringen unerwartete (Rede-)Wendungen zum Lachen oder zum Staunen.
Irene Prugger, Wiener Zeitung
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