514 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag

€ 25.00

ISBN 978-3-903184-14-5

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Christopher Just

CATANIA AIRPORT CLUB

Justs neuer Roman entführt uns in die glamouröse Fashionwelt mit ihren schillernden Models und exzentrischen Modeschöpfern. Erneut ein Heidenspaß samt eleganten Genreparodien und exaltiertem Stil. Hätte Bret Easton Ellis einen lustigen Bruder in Wien: Es wäre Christopher Just.

Die mächtigen Kaumuskeln des wunderschönen Modeschöpfers Ridge Forrester schlottern vor Wut: Ein irrer Modelkiller, der die High-End-Glamour-Metropole Wien in Angst und Schrecken versetzt, hat seine Muse Candice Zooker ermordet. Und das eine Woche vor der legendären Vienna Fashion Week!
Also bucht er für die Show den Ex-Dressman Chris, der nach einer ausschweifenden Zeit in den 90ern ein zurückgezogenes Leben führt. Sein Engagement bei Forrester Creations katapultiert Chris zurück in den Sog der prominenz- und drogengeilen Glamour-Welt. Als ihn dann auch noch der Rockstar Paul Stanley in ein schreckliches Geheimnis einweiht und sich Chris zudem in Ridge Forresters proseccokranke Frau Doctor Taylor Hayes verliebt, gerät seine Welt erneut total aus den Fugen.

Justs zweiter Roman vereint wieder alles, was Lesen zur vergnüglichsten Beschäftigung der Welt macht: Selbstironie, genreübergreifender Stil, überbordende Kreativität plus Spannung und auch ein bisschen Horror.

Es war Nacht geworden, als ich hinaus auf die Weaver trat. Cosmos Einwände hatte mich ein bisschen runtergeholt, also kritzelte ich mir etwas Homo auf den Handrücken, ging die letzten paar Meter zur Mariahilfer Straße hoch und tauchte in das mondäne Flair der funkelnden Nobelmeile ein. Die breiten Trottoirs waren taghell erleuchtet, beidseitig gesäumt von exklusiven Boutiquen, luxuriösen Straßencafés und elitären Gourmettempeln. Elternpaare schoben strahlend vor Glück Twin-Buggys vor sich her, agile Rentnerinnen sausten mit bizarren asymmetrischen Kurzhaarschnitten auf Tretrollern vorbei, gepflegten Clowns verknoteten Luftballons, gut aussehende Polizisten salutierten charmant, gelassene SUV-Lenker bremsten rücksichtsvoll vor den Fußgängerübergängen, um fröhlich winkenden Rollstuhlfahrern die Vorfahrt zu überlassen. Noch ein paar Jahrzehnte zuvor wäre das undenkbar gewesen.
Grelle, gleichwohl finstere Bilder fielen mir ins Gedächtnis. Bilder aus den 1980ern, als die Mariahilfer Straße noch zu den härtesten Pflaster der Welt zählte und genau die Art Straße war, von der Eltern ihren Kinder rieten sich fernzuhalten.
Eine verdammt miese Meile, bis an den Rand vollgepackt mit Sexshops, Triple-X-Porno-Shows und Live-Sex-Couple-Cabarets. Unter einem Himmel, schwarz wie die Hölle, das gleißende Flackern obszöner Neonreklamen, Hard Men’s Sky, Sexhages, PrayDenDick, Schäfer Kino …
Die dreckigen Gehsteige voller Nutten, die einem Blowjobs für fünf Dollar nachschmissen, im Schatten breitkrempiger Hüte die zwielichtigen Gesichter der Pimps und Dealer, im Dunkel der Hauseingänge die gehetzten Blicke ausgebrannter Junkies. Trickbetrüger mit obskuren Gemüsereiben und Kugelschreibersets, verbotenes Hütchenspiel, unlauteres Taschenbillard in den Hinterzimmern der Bars und Likörstuben.
Auch die umliegenden Avenues zugepflastert mit sogenannten Jeans & Electronic-Shops, in den verstaubten Auslagen monströse Ghettoblaster und billige Stonewashed-Klamotten, in Wahrheit Umschlagplätze für illegalen Waffenhandel, mit 45er Magnums und abgesägten Schrotflinten unter dem Ladentisch.
Kein Tag ohne Mord, keine Nacht ohne jaulende Sirenen. Ständig das kalt blitzende Blaulicht der im Schritttempo vorbeipatrouillierenden Polizeiwagen, hinter ihren zerschossenen Scheiben bestechliche Cops, desillusioniert und geübt im Wegsehen. Im Rinnstein stehendes schwarzes Wasser, vollgekotzte Trottoirs, aus den verstopften Gullys waberte der Gestank von Scheiße und Fisch, mischte sich mit dem Mief verbrannter Zuckerwatte und fetttriefender Langos.
Wer es schaffte, durch die Mariahilfer Straße zu kommen, ohne getötet oder überfallen zu werden, konnte getrost seinen zweiten Geburtstag feiern.
„Der schäbigste Block des Universums", so betitelte die Vienna Tribune im Jahr 1984 die Gegend zwischen Generali Center und ABM. Die Mariahilfer Straße der 1980’s – nirgendwo auf der Welt fand man mehr Abschaum und Verkommenheit versammelt als hier …
Bis sich die Stadtregierung zu einer rigorosen Säuberungsaktion entschloss, die Peepshows dichtmachte, die Nutten und die Obdachlosen in Busse verfrachtete und in die Vorstadt verbannte. Leute, die auf die Straße urinierten, wurden so schnell ins Gefängnis gesteckt, dass ihnen noch der Schwanz tropfte, als sie in der Zelle landeten. Die Immobilienhaie hatte man klarerweise rechtzeitig in Kenntnis gesetzt, Spekulanten kauften für Spottpreise alles kurz und klein, die Grundstückspreise und Mieten zogen an, kletterten ins Astronomische. Die Nutten, die Underdogs und das organisierte Verbrechen waren bestbetuchten Geschäftsleuten, findigen Unternehmern und Vielverdienerfamilien gewichen, der grelle Live-Sex und die Twentyfourseven-Trash-Läden den internationalen Modemultis und Coffeecompanies zum Opfer gefallen. Es war Ruhe im ehemals so verrufenen, einst Dead Neubau genannten, 7th District eingekehrt. Aber war es besser so? Mitnichten. Die Mariahilfer Straße hatte ihre Funkyness, ihren Punk eingebüßt, war zur austauschbaren Allerweltsshoppingmall und zum Laufstall luxussüchtiger Konsumlemminge mutiert. Irreversibel. Aber so war es nun mal. Sinnlos, den alten Tagen nachzutrauern, als die Mariahilfer Straße von Insidern hinter vorgehaltener Hand noch knallhart „Die Maiffer“ genannt worden war.

Mein Plan war gewesen, zu Fuß bis zum Broadway zu schlendern. Doch ich stieß ich ihn kaltblütig um, als ich hinter mir das Kreischen einer sich auf knirschendem Rollsplitt einbremsenden Straßenbahngarnitur der Linie 58 vernahm. Noch ehe der Zug in der Brickmaker Station quietschend und rumpelnd zum Stehen kam, startete ich los und joggte in lockerem Lauf zur einen Stopp weiter gelegenen Reconstruction Avenue. Ich steppte ins Heartache Hotel, sprintete runter in die Bar und ließ mir einen doppelten Scotch zum Mitnehmen geben. Der Barkeeper war schnell, ich knallte ihm einen Zwanziger auf den Tresen, sauste wieder rauf und flitzte rüber zur Halltestelle. Der Zug stand bereits da, ich entschied mich für den hinteren Wagon, setzte mich, wie ich es schon als Kind verfickt gern getan hatte, in die vorderste Reihe und genoss Scotch nippend die Fahrt.
Als dieser Streckenabschnitt erstmalig von mir bereist worden war, hatte ich bitterlich weinen gemusst. Nicht, weil ich von seiner Schönheit überwältigt worden war, sondern weil ich mich in einem Zustand befand, der dem der Todesangst um nichts nachstand.
Ich mochte sieben, vielleicht auch acht Jahre alt gewesen sein und hatte mich ehedem auf der Kennedybrücke eingefunden. Dort war eine Straßenbahn ebenjener Linie, in der ich jetzt auch saß, nämlich 58, von mir erklommen worden, welche mich zur Reconstruction Avenue brachte, an der ich ausstieg, um mich ins Kaufhaus Gerngross zu begeben. Zwar standen mir die für einen Einkauf notwendigen monetären Ressourcen nicht zur Verfügung, jedoch ein weißer Plastiksack, den ein Aufdruck des oben erwähnten Kaufhauses zierte. Ein paar Wochen zuvor war mir die erfreuliche Entdeckung zuteil geworden, dass es einem Kinderspiel gleichkam, den Beutel mit Waren zu befüllen und im Anschluss das Kaufhaus zu verlassen, ohne die eingesackten Güter an einer der Kassen vorweisen und abgelten zu müssen. Dass dem so war, schrieb ich in erster Line der klugen Wahl meines Tragebehelfs zu, dessen Aufdruck, wie es schien, den Eindruck zu erwecken verstand, die darin befindlichen Güter seien bereits käuflich erworben, weshalb man mit einer Tasche des Kaufhauses bedacht worden war. So berückend, gleichwohl simpel, mein Einfall auch war, erforderte seine Umsetzung dennoch ein gewisses Feingefühl, um nicht zu sagen schauspielerische Kenntnisse, in deren Besitz ich mich allerdings zweifelsohne zu befinden wähnte.
Von den Rolltreppen in den vierten Stock geleitet, bummelte ich vorerst unauffällig durch das Arrangement, um – nachdem ich mich versichert hatte, dass sämtliche Angestellte mit Beschäftigung ausgelastet waren und mir deshalb kein Augenmerk schenkten – zielstrebig auf die einschlägigen Regale zuzusteuern und die Objekte meiner Begierden flugs in der Plastiktüte verschwinden zu lassen. Hernach sah ich mich noch ein wenig um, zeigte mich lustlos und tat, als sei ich hinsichtlich des Sortiments gelangweilt, wenn nicht gar enttäuscht. Auch schüttelte ich gelegentlich den Kopf, eben so, als fände ich nicht, wonach ich suchte, und begab mich schließlich ohne Eile zurück zu den Rolltreppen. Wieder im Parterre angelangt, steuerte ich geruhsam dem Ausgang entgegen und entfernte mich mit einer Gefühlsmischung aus Glück und schlechtem Gewissen (wobei das Glück es stets verstand, bei Weitem zu überwiegen), aus dem Kaufhaus, um erneut die Straßenbahnlinie 58 zu besteigen und zurück nach Hause zu fahren, wo ich mich sogleich dem Spiel mit dem frisch ergatterten Zeug überließ.
Genauso hatte ich es bereits einige Male gemacht und es hatte immer gut geklappt. Bloß: An besagtem Tag verlief alles anders, denn: Ich wurde erwischt.
Ich hatte soeben die von mir auserkorenen Dinge in meinen weißen Plastiksack gestopft (ein Batman-Set, bestehend aus einem Auto, einem Anhänger mit Motorboot und einem Hubschrauber, also Batmans und Robins gesamter cooler Fuhrpark) und schickte mich bereits an, den Rolltreppen entgegenzuschreiten, als ein Bursche – er mochte vielleicht zwei Jahre älter als ich sein, doch damals kam er mir nahezu erwachsen vor – mir auf die Schulter klopfte. „Du hast gerade etwas gestohlen!“, sagte er und sah mich abwartend an. Ein siedend heißes Gefühl durchfuhr mich vom Kopf bis in die Clarks. Der von ihm ins Treffen geführte Begriff „gestohlen“ machte mir schlagartig bewusst, etwas Böses und Falsches getan zu haben und ließ in mir die Annahme erwachsen, nicht mehr, allem voran aber nicht weniger als ein gemeiner Herumtreiber, Verbrecher, ein dreckiger Dieb, ein lausiger Straßenjunge, ein mieser Gossenbub zu sein. Ich sah verschreckt zu ihm hoch, war wie zu Stein erstarrt und befürchtete, dass er im nächsten Augenblick einen Angestellten herbeirufen würde. Auch hatte ich gehört, dass Kaufhäuser Detektive beschäftigten, und obwohl mir der Bursche recht jugendlich erschien, so konnte es doch durchaus sein, dass man ihn gerade deshalb mit der Aufgabe des Spitzelns betraut hatte, damit andere Kinder keinen Verdacht schöpften.
„Stimmt’s? Du hast da hinten grade Spielsachen in deinen Sack gesteckt und jetzt willst du gehen, ohne zu bezahlen“, wiederholte er, kniff gefährlich die Augen zusammen und musterte mich heimtückisch. Mir wurde schwindelig. Was sollte ich sagen? Dass er sich im Irrtum befände, dass ich die Dinge nur vorübergehend in den Sack gesteckt hätte, dass ich mich jetzt sogleich an die Kassa begeben und bezahlen würde? Oder sollte ich alles zugeben, ihn bitten, mich nicht auszuliefern, ich würde die Sachen zurück ins Regal legen und schwören, nie mehr wieder etwas zu stehlen – ach, wenn er mich nur gehen ließe! Auch würde ich meine Beute mit ihm teilen, wenn er dies wünsche … Doch alles, was ich zustandebrachte, war ein zaghaftes Nicken.
Er betrachtete noch einmal abschätzig meinen Plastiksack, schüttelte den Kopf, dann sah er mir ernst in die Augen. „Glück gehabt, dass nur ich dich gesehen hab.“ Er machte eine schnelle Handbewegung, als verscheuche er ein lästiges Insekt, das zu zerdrücken sich nicht lohnt. „Schau, dass du verschwindest!“
Ich blieb wortlos, nickte wohl noch einmal und trollte mich so schnell ich konnte von dannen. Jetzt war mir klar, dass ich es nicht meiner ausgeklügelten Plastiksacktaktik, sondern nur der Güte des Schicksals zu verdanken hatte, bisher nicht erwischt worden zu sein. Immer noch unter Schock und wie in Trance fuhr ich die Rolltreppen hinab, blickte mich immerfort um, ob mir der Bursche folgte, konnte ihn aber nirgendwo ausmachen. Ich kam mir schrecklich schmutzig vor, und auch meine Beute erschien mir mit einem Mal widerwärtig. Ich musste mich sofort von ihr befreien! Als ich im Erdgeschoß ankam, sah ich mich rasch um, dann stopfte ich den Sack samt den Sachen unter irgendeine Stellage und eilte aus dem Kaufhaus. So hatte ich die belastenden Beweise beseitigt, nun konnte mir nichts mehr geschehen. Irgendwann später, wenn ich längst zu Hause wäre, vielleicht auch erst in ein paar Monaten, würde man unter einem Regal in der Sockenabteilung den Plastiksack mit dem Batman-Set finden und sich wundern. Erleichtert ging ich schnurstracks zur Straßenbahnstation und sah mich dabei immer wieder um, ob mir jemand folgte. Nichts.

Christopher Just: Sei allerliabster Sound is Techno

Musiker und DJ, Trash-Autor und Komödiant: wie aus dem Wiener Alt-Influencer ein Romanschreiber wurde.
Eine Massage kann auch sehr unangenehm sein. Sie ist zum Beispiel nicht schön, wenn man sich auf einem Großraum-Rave auf der Bühne von einem Profi durchwalken lässt und einem deshalb ein gewisser Unwillen entgegenschlägt, weil nichts passiert. Eigentlich sollte man stattdessen nämlich Technomusik böllern, damit die Leute amtlich auszucken können. Stattdessen werden die Produktionsbedingungen transparent gemacht. Warum blöd in Wien tagelang das Studio abbauen und damit in der Weltgeschichte herumfliegen, nur um dann so wie alle anderen auch die Starttaste vom CD-Player zu drücken? Wegen 15 Minuten! Ehrlich: Längere Aufmerksamkeitsphasen spielt es in der Pharmazeutendisco nicht.
Ok, die anderen Künstler tun hinter ihren Kasteln wenigstens so, als ob da live irgendwas passieren würde. Christopher Just und sein Partner Peter Votava hatten das als Duo Ilsa Gold oder Sons of Ilsa von den 1990ern herauf nie nötig. Sie sind schon mit einer Joghurtmaschine aufgetreten, auf der sie zu Vollplayback herumschraubten oder haben vor den Ravern Zeitung gelesen.
Zum Höhepunkt der Technowelle sampelten die zwei in tiefem Humor und schlechtem Geschmack brüderlich verbundenen Ilsa Golds Süchtig, ein Lied des Austropoppers Peter Cornelius. Es sollte die Leute vor den Kopf stoßen. Das klappte aber nicht. Auch mit Silke gab es diesbezüglich nur Probleme. Der Track basierte auf einem Sample der Titelmelodie von La Boum und wurde mit einem elektrischen Galeerenbeat bei Angriffsgeschwindigkeit kurzgeschlossen. Trotzdem wurde es zum Rave-Klassiker. Drogen machen tolerant, zumindest die bunten. 2003 erschien zum Abschluss einer nie ganz beendeten Sause die Werkschau Regretten? Rien!. Man kann sie gebraucht kaufen. Nachbarn ärgern oder bei Wohnungspartys durch Spanplattenwände tanzen hat immer Saison.
Christopher Just sagt heute: „Ende der Neunzigerjahre war Techno für mich durchdekliniert. Fast alles danach ist Malen nach Zahlen. Trotzdem macht es Spaß, wenn wir ab und zu als Ilsa Gold auftreten. Allerdings wird die Herausforderung, um drei Uhr früh auf die Bühne zu kommen, mit den Jahren zunehmend größer.“

Dichten statt Dichtmachen

Christopher Just feiert heuer seinen 50er. Er legt das mit dem Happy-Hardcore heute also ruhiger an. Eine hübsche und wienerisch-gemütlich ins Halbsandeln diffundierende Solokarriere mit dem Album Jeans & Electronic (1996) oder als internationaler Disco-Ungustl Punk Anderson mit dem ein Jahr später nur knapp am Welthit vorbeischrammenden Smasher Shave That Pussy gibt es ja auch in der Biografie. Eine Sache kann der gebürtige Penzinger und Absolvent der Modeschule Hetzendorf („Ich hab die Textilausbildung gemacht, da musste man am wenigstens lernen.“) allerdings aus tiefstem Herzen bereuen. 1998 erfand er als Roy Edel mit dem volkstümlichen Track Mei allerliabster Sound is Techno die Schihütte, das Rumkugeln und den Hyper-Hyper-Techno in der Plastiklederhosn neu. Damals wurde Roy Edel bei Auftritten mit Flaschen beworfen, heute würden ihm die Untergatten zwischen Ischgl und Malle zufliegen: „Der ironische Zugang ist eine Wesensart von mir. Egal, was ich mache, ich reflektiere immer auch das Medium, für das ich arbeite“, meint er heute. Nachdem Just einige Jahre in New York als Partyveranstalter gelebt und dort Musik etwa für die Chicks On Speed produziert hatte, entdeckte er zurück in Wien das Schreiben als neue Spielfläche. Beim Dichten statt beim Dichtmachen kann man früher ins Bett gehen, obwohl Just auch schon nach dem Frühstück bei einem Rave aufgetreten ist. Schreiben funktioniert bei Just allerdings ähnlich wie die Musikproduktion: „Der Sampler ist die letzte große musikalische Innovation, die wir haben werden. Mit ihm ist alles möglich. Ich arbeite allerdings gern etwas unsauber und schludrig.“ Nach seinem Debüt Der Moddetektiv von 2017 legt Just nun im Milena Verlag mit Catania Airport Club einen zweiten Wälzer im Zeichen des schlechten Geschmacks vor. Der Roman ist purer Trash, sehr lustig und gespickt mit Zitaten aus der Literatur- und Popgeschichte. Es geht um Serienmorde in der Modewelt, die Rockband Kiss, einen vertrottelten Detektiv, American Psycho in der Wiener Gumpendorfer Straße, einen kitschig gutaussehenden Protagonisten namens Chris sowie Dings. Gelernt hat Just von der Schreibtheorie Stephen Kings oder Elmore Leonards: „Die mögen keine Adjektive und Wie-Vergleiche. Das hat mir getaugt. Ich hab meinen Roman gleich damit vollgestopft.“ Stimmt. Genug kann nie genügen.
Christian Schachinger, Der Standard




Marantana! Die Band Kiss soll jahrelang live Fans geschlachtet haben. Später wird ein Model grausam entleibt. Blut, Drogen, Sex: Die Handlung in Christopher Justs zweitem Roman ist so spektakulär wie wurscht. Er kennt die zwei Trash-Regeln. Erstens: Klischees sind zum Spielen da. Frauen sind „zauberhaft“, Männer haben Kaumuskeln „wie zwei knallharte, bis an den Rand abgefüllte Silikonbrüste“. Zweitens: Nur nicht halbherzig sein.
„Catania Airport Club“ ist eine selbstironische Genreparodie, die dem Autor beim Schreiben viel Spaß gemacht haben muss. Das überträgt sich oft, aber nicht immer auf die Leserin. Manche Passagen wirken, als hinge Justs Honorar von der Erfindung gewagter Metaphern ab. Oder er lässt es einfach laufen: „Schon pardauzte die Tür auf, der Inspector brachholderte herein, dötzte sich auf die Stirn, dass es nur so pritschelte, und schlonzte verflucht verkruschpelt zur Kleiderablage.“ Fazit: Für Fans.
Dominika Meindl, Falter




Mord und Schrecken am Gump O’Ville Boulevard

Früher hat Christopher Just schnelle Musik gemacht, jetzt schreibt er schnelle Bücher. Sein Roman „Catania Airport Club“ ist ein Trip in die Wiener Fashionwelt, samt Designer, Models, Serienkiller, Paralleluniversen und Kiss.
Die Neunziger waren für Christopher Just eine intensive Zeit. Damals legte er unter anderem als Teil des Techno-Duos Ilsa Gold in zahlreichen österreichischen und internationalen Clubs auf. Jetzt hat er nicht mehr so viel Bock auf das Musikmachen. Stattdessen sitzt er täglich bis zu vierzehn Stunden in seiner Altbau-Wohnung und erdichtet ein Wiener Paralleluniversum.
In diese Welt hat er uns erst vor einem Jahr mit dem Moddetektiv entführt. Den Amazon-Rezensionen von Friedrich Schiller und Johann Wolfgang Goethe ist zu entnehmen, dass Justs Debüt gut angekommen ist. Deshalb hat er gleich einen zweiten Roman geschrieben, der im selben Universum spielt.
Dieses Mal wird kein Mod ermordet, sondern ein Model. Um genau zu sein handelt es sich um die Muse des Fashiondesigners Ridge Forrester, der sich neben seinem außerordentlichen Talent durch stahlharte Kaumuskeln auszeichnet.
Um den Fall kümmert sich ein Detective Krambambo vom Vienna Police Department (VNAPD). Der schaut ein bisschen aus wie der Columbo und schwafelt die ganze Zeit von seiner Frau. Was das Handwerk betrifft hinkt er dem italo-amerikanischen Original nach.
Er kann keine logischen Schlüsse ziehen und weiß auch nicht, wie er Beweismittel interpretieren soll oder was ein Fetisch ist. Und selbst wenn er den Mord lösen könnte, ändert das nichts an der Misere von Ridge Forrester. Bald ist Vienna Fashion Week und er braucht dringend ein Modell.
Also bucht er den Ex-Dressman Chris. Nicht nur sein Name erinnert an den Autor des Romans, sondern auch seine Biografie. Nach großen Erfolgen und ausgiebigen Drogenexzessen in den Neunzigern führt Chris ein zurückgezogenes Leben. Nur ab und zu trifft er sich mit Paul Stanley von Kiss, der unter Tränen eine brutale Mordserie der Hardrockband gesteht.
Wer jetzt denkt, dass Just sich selbst zum Protagonisten seiner verrückten Geschichte gemacht hat, der oder die irrt. Denn Just selbst taucht unter seinem echten Namen als drogengeschädigter Autor auf, der seinen Gig im High End Gentleman Club an den Highlander und seine Erotikromane („Ein Highlander kommt selten allein“) verliert.
Das sind die Gestalten mit denen Just auf gut 500 Seiten das Wiener Paralleluniversum erkundet. Aus unserem Wien dürfte die Mariahilferstraße bekannt sein. Mit ein bisschen Allgemeinwissen entschlüsselt man auch, welche Orte sich hinter rätselhaften Namen wie „Brickmaker Lane“, „Reconstruction Ave“ oder „Gump O’Ville Boulevard“ verstecken.
Catania Airport Club schließt direkt an das Romandebüt von Christopher Just an. Neben Experimenten mit lustigen und unlustigen Wortspielen, geht es wieder mal um die Wiener Subkulturen und um ganz viel Trash. Dabei setzt Just exzessiv Adjektive, Adverben und verschachtelte Sätze ein.
Wer so wie Goethe und Schiller Gefallen an Moddetektiv gefunden hat, wird auch hier zugreifen. Alle anderen können auch gut mit den eigenen Erinnerungen an die Achtziger und Neunziger Jahre Spaß haben. Und wenn man keine hat, ist man hier ohnehin an der falschen Adresse.
Ali Cem Deniz, FM4




In der „schillernden“ Modemetropole Wien geht es rund. Die Muse des Fashiondesigners Ridge Forrester wird grausam verstümmelt aufgefunden. Was wird nun aus der Vienna Fashion Week? "Catania Airport Club" beleuchtet humorvoll die Abgründe der internationalen Modewelt - eine extravagante Kombination aus spannendem Krimi und philosophischem Kasperltheater.
Kulturmatinee, ZIB 13, Juni 2018

Video in der TV-Thek




Ex libris, ORF, 10.6.2018, Interview mit Christpher Just
Beitrag: Claudia Gschweitl


Der „Catania Airport Club“ befindet sich im gleichen Universum, in dem Christopher Just schon seinen Vorgängerroman angesiedelt hat. Es ist ein seltsames, der Zeit entrücktes Wien, in dem die Digitalisierung noch nicht stattgefunden hat, in dem es keine einheitliche Währung gibt und in dem sich allerlei surreale Dinge abspielen. Manche liebgewonnene Charaktere aus dem „Mod-Detektiv“, wie etwa Inspector Krambambo, tauchen auch in der neuen Nonsense-Geschichte als Statisten oder Randfiguren wieder auf.

OT 1 - Das Wien, das ich mit dem Mod-Detektiv aufgebaut hab, ist eine Umgebung, in der ich mich sehr wohl fühl, weil ich mir damit ziemlich viel Möglichkeiten erschlossen hab. Es ist einerseits das Wien, das wir alle kennen, andererseits auch ein Parallel-Wien auf eine gewisse Art und Weise und gibt mir deshalb so viel Spielraum, weil ich dem Wien, das wir kennen, das mir, obwohl ich es liebe, zu staubig ist, ein bisschen Funkyness oder Sexyness beimengen kann.

Glamour verleiht Christopher Just seiner Stadt zum Beispiel, indem er die Straßennamen anglisiert. Seine Figuren joggen in Bel Fountain, schlendern über den Gump O’Ville Boulevard und treffen sich bei der Subwaystation Nutvillage Street. Für den Starfaktor sorgt gleich in der ersten Szene Paul Stanley. Der KISS-Frontman verabredet sich in voller Bühnen-Montur, geschminkt, mit Lederhalsband, Satinhandschuhen und Plateau-Stiefeln mit seinem Freund Chris in einem Beisl. Wenn sich die Wiener Bussi-Bussi-Gesellschaft ganz selbstverständlich mit der großen, schillernden Promi-Welt vermengt, dann hat das großes Spaßpotential.

OT 2 - Und das mir zu eigen Machen dieser Weltprominenz ist natürlich eine irrsinnig interessante und spannende Sache, weil es ist fast so, als wäre man ein Regisseur, der über alle Schauspieler der Welt verfügt und lässt die dann agieren nach seinem Willen.

Der ehemalige Dressman Chris, früher erfolgreich unterwegs zwischen Tokio und Paris, will in Wien eigentlich einen Gang runterschalten. Doch einen höchst lukrativen Auftrag kann er nicht ablehnen: Er soll für „Forrester Creations“ auf der „Vienna Fashion Week“ laufen. Und schon ist er wieder mittendrin in der Hochglanzmodewelt, einer Hölle aus Intrigen, Eifersucht und Prosecco-Abhängigkeit, in der noch dazu ein Model-Mörder sein Unwesen treibt. Inspiration holte sich Christopher Just, der zwar eine Modeschule besuchte, sich dann aber vorwiegend der Clubbing-Szene widmete, in unzähligen Folgen der täglichen Seifenoper „Reich und Schön“.

OT 3 - Das lief da immer im Nachmittagsprogramm im ORF und es war so simpel, so absurd und so stereotyp und stupide und alles zugleich, dass es so harmlos war, dass ich mich dabei sehr entspannen konnte. Meistens nach den etwas aufreibenden Techno-DJ-Partywochenenden, wo man dann doch so den Montag, Dienstag benötigt, um sich wieder zu sammeln, wenn ichs mal so umschreiben darf und da hat mir das irgendwie so eine heile Welt beschert. Also ich kenne die Charaktere wirklich sehr gut.

Ridge Forrester ist 1:1 der Serie entnommen. Er fällt vor allem durch seine imposanten Kaumuskeln auf, ist ständig dabei eiligen Schrittes das Zimmer zu durchmessen, sich im Spiegelbild zu betrachten oder nachdenklich innezuhalten. Die Dramaturgie ähnelt zu Beginn durchaus der, einer Soap Opera: Spannung wird aufgebaut und dann passiert über weitgehende Strecken nichts. Damit die Leserinnen und Leser nach all den Abschweifungen nicht den Faden verlieren, wird fürsorglich alle paar Seiten zusammengefasst, was bisher geschah - ein praktischer Service, der auch einen Einstieg mittendrin möglich macht. Für die „Vienna Fashion Week“ hat sich nun die gesamte Hollywood-Prominenz angesagt, die Stadt ist in heller Aufregung. Davor trifft man sich noch im „Fashion TV Café – Vienna‘s Most Exclusive Club“. Ein Lokal, das auch im realen Wien unter diesem Namen und mit dieser Selbstbeschreibung existiert und mit seinen angeblich zahlreichen Stargästen aus der Modewelt wirbt. Tatsächlich verirren sich vor allem Touristen hinein, die dort „Fashion Snacks“ wie Apfelstrudel und Sachertorte zu sich nehmen.

OT 4 - So schrecklich das auch klingt, aber was mich auch sehr inspiriert hat bei dem Buch war „Germany's Next Topmodel“. Ich hab mir das angetan und mir die letzte Staffel von hinten bis vorne und umgekehrt angeschaut, vor allem speziell wegen dem, wie dort kommuniziert wird. Und wie Heidi Klum dort mit ihren „Mädels“, wie sie immer sagt, umgeht um sie zu motivieren oder zu demotivieren, anzuspornen und in Wirklichkeit natürlich auch den Zuschauer zu befriedigen. Das Ganze ist ja genauso surreal wie das Fashion TV Café, dort werden keine Models gemacht, jeder der dort gewinnt, verschwindet nachher in irgendeiner Agenturschublade von Heidi Klums Vater. Wird aber so getan, als ob man dort die Topkarriere anstreben kann. In Wirklichkeit geht’s nur darum uns draußen, die Zuseher am Laufen zu halten und zu unterhalten vor allem.

In einen anderen Kontext gesetzt, wirken die Aussagen der Model-Mutter Klum noch schauderhafter, als sie ohnehin schon sind. Man wähnt sich nicht mehr bei „Germany's Next Topmodel“, sondern viel eher bei „American Psycho“. Christopher Just hat als Autor selbst hat auch wieder einen Gastauftritt. Der Erfolg seines Debütromans ist ihm zu Kopf gestiegen. Für sein neues Buch wünscht er sich nicht nur goldene Schrift für den Titel, sondern auch gleich zwei Lesebändchen. Ein Wunsch, dem der Verlag übrigens nachgekommen ist. Das Spiel mit dem Medium Buch selbst, bereitet dem Autor sichtlich Freude.

OT 5 - Man hätte sich natürlich auch überlegen können, ob man an einer Stelle sagt: Und jetzt legen Sie bitte das erste Lesebändchen und dann viel weiter hinten darauf Bezug nimmt und dann irgendetwas eröffnet oder auch nicht, aber dann hab ich mir gedacht – nein. Diese einfach dahingestellten zwei Lesebändchen lassen viel Raum frei.

In diesem Sinne wird die Kritik für das Buch im Buch auch gleich mitgeliefert. Ein Rezensent der „New York Times“ sieht darin eine literaturanarchistische Sensation und erfreut sich am (Zitat) „ausgeklügelten Spiel mit dem lustvollen Enttäuschen althergebrachter Lesererwartungen, der absichtlich falsch verwendet Grammatik, den mutwilligen Fall- und Kommafehlern, der bewussten Holprigkeit, dem tausendundeinfachen Bemühen bereits tausendfach bemühter Genres und Klischees, der hemmungslosen Inanspruchnahme von Adjektiven, der mutwilligen Verdrehung von Sprichwörtern und an den Protagonisten, die platt sind, wie Abziehbilder.“ Und nicht zuletzt an den zahlreichen schlechten Stevie-Wonder-Witzen, möchte man noch hinzufügen, bei denen man sich das Lachen trotzdem kaum verkneifen kann. Wer den „Mod-Detektiv“ mochte, wird sich auch im „Catania Airport Club“ vergnügen.

OT 6 - Ich glaub das Wichtige ist, dass man spürt, hier hat man sich ohne Hemmungen drangewagt. Und sich selbst keine „No-Nos“ und „Mach das nicht“ und „tu jenes nicht“, und immer die ewige Geschichte mit dem… wenn ein Schriftsteller viele Adjektive benutzt, dann muss er schlecht sein, das ist nur im Kontext richtig. Ich übertreibs mit den Adjektiven und häng manchmal fünf aneinander. Weil ich einfach einen Riesenspaß dabei empfinde. Wer mir drauf reinfliegt, tja, Pech gehabt.




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