Caspar Orlando Tuppy befindet sich auf dem absteigenden Ast, seine weißen, alten Gedanken sind medial nicht mehr gefragt. Eine Einladung der Kult-Autorin Karina Wintertod nach Wien könnte das Ruder noch einmal umreißen … Wird Tuppy Anschluss finden in Karinas aktionistischer Gang, wird ein feministischer Text seine Karriere wieder aufrichten? – Toll beobachtet, hochkomisch und wortgewaltig.
Für Caspar Orlando Tuppy, Ästhetikprofessor an der Uni Wiesbaden, läuft es nicht mehr so gut. Der Bruegel-Kenner war einst gern gesehener Gast in Talkshows, jahrelang sogar TV-Kulturmoderator, ein cooler Intellektueller mit schneeweißen Dreadlocks – doch was ist davon geblieben? Kein Hahn kräht nach ihm, Tuppy muss sich anderen aufdrängen, fürchtet um seine Würde (und finanzielle Zukunft).
Inmitten seiner Bestrebungen, das Karriereruder vielleicht noch mit einem Bruegel-Kabarettprogramm herumzureißen, erreicht ihn ein Anruf von Katarina Wintertod.
Katarina Wintertod, das Literaturwunder, die Wienerin mit der flapsigen Schreibe, bei der es spitzenmäßig läuft, die sich vor Lesungsanfragen nicht erretten kann und als der neue feministische Star gefeiert wird.
Wintertod möchte Tuppy für ein Projekt an Bord holen, sie will einen Text schreiben über Marth Bruegel, die Ehefrau und Mutter der Maler-Dynastie. Denn auch Marth war eine talentierte Malerin, ihre Bilder sind denen ihrer Nachkommen weit überlegen und Tuppys Wissen soll in den Text einfließen. Tuppy ist von dem Angebot begeistert! Einziger Wermutstropfen: Er hat in seinem Leben noch nicht von Marth gehört.
Es beginnt eine irrwitzige Odyssee, in der Tuppy endlich Karina Wintertod kennenlernt und bald in die Welt der jungen und aktionistischen Stürmer- und Drängerinnen eintaucht. Ein Höllenbruegel – ein Höllenspaß.
Wenn ich das richtig verstand, war Karina Wintertod damit beauftragt worden, eine Anthologie über von der Kunstgeschichte zu Unrecht übergangene Künstlerinnen zu erstellen. Die Autoren sollten alle Autorinnen sein. Männer hätten schließlich in der Kunstgeschichte schon genug geredet.
Das sagte sie nicht, aber das musste sie auch nicht sagen. Mir waren die Gedankengänge dieser neuen Generation von Neo-Feministinnen durchaus geläufig. Dass wir Männer schon genug geredet hätten. Wenn dem bloß so wäre! Selbstverständlich mussten mehr Frauen mehr reden, aber doch nicht anstelle der Männer, sondern zusätzlich zu den Männern. Es musste doch nicht immer ein Entweder-oder sein, nein, mehr Frauen sollten reden, durchaus auch in der Kunstgeschichte! Ich war sehr gespannt auf die weibliche Blickweise. Seit Jahren war ich schon gespannt, kaum zu zählen, wie viele Frauen mir in meiner näheren und weiteren Bekanntschaft angekündigt hatten, ein relevantes wissenschaftliches oder künstlerisches Werk zu veröffentlichen. Aber irgendetwas musste den Frauen dazwischengekommen sein, sonst würde ich nicht noch heute auf ihre bahnbrechenden Werke warten müssen. Was zeigt, wie schwer Frauen es heutzutage haben. All die Anforderungen, die an sie gestellt werden – Haushalt, Erziehung, Skincare und Selbstverwirklichung –, da kann man nicht alles mit hundertprozentiger Kraft erledigen, das ist doch unmenschlich.
Vielleicht wäre die Problematik mit einem vom wissenschaftlichen Diskurs abgekoppelten eigenen geisteswissenschaftlichen Frauenlabor zu lösen, wo der Anspruch nicht darauf liegt, etwas fertigzustellen. Wo auch Unfertiges, Angerissenes, Interessant-zur-Hälfte-Gedachtes seine Berechtigung hätte. Ich denke mir, das könnte ein guter Anstoß sein, um weibliches Genie entsprechend zu pflegen. Ob das jetzt unbedingt aus denselben Budgets wie der Kunstbetrieb gefördert werden muss, ist eine andere Frage. Da war doch mittlerweile schon so wenig Geld vorhanden, das musste man nicht noch mehr belasten. Das Frauen- und Familienministerium wäre hierfür doch eine viel charmantere Lösung.
Aber natürlich war es für die Verfasserinnen der Anthologietexte nicht verboten, einen Mann als Berater hinzuzuziehen. Weshalb Karina Wintertod an mich herangetreten war. Sie hatte sich als Thema für ihren Beitrag Marth Brueghel ausgesucht. Man konnte über Karina Wintertods Texte sagen, was man wollte – es muss ja auch nicht alles immer um jeden Preis Literatur sein, genügt es manchmal nicht auch, eine amüsante Niederschwelligkeit zu bieten? –, aber das war wirklich eine saftig spannende Wahl.
Marth Brueghel also, Marth Brueghel – interessant. Die Mutter der Maler-Dynastie, die am Anfang allen Erfolgs thronte, die Mutter des Bauernbrueghel, die Großmutter des Blumenbrueghel, des Höllenbrueghel, und die Urgroßmutter des Pieter III Brueghel, dem von allen Seiten höchstmögliche Profillosigkeit attestiert wurde. Die Mutter, deren Maltechnik ihren Nachkommen bei Weitem überlegen war. Die Mutter, deren Bilder allerhöchstes Entzücken bei Professionisten aller Art erzeugte. Die Mutter, deren Bilder alle verschollen waren.
Die Mutter, von der ich noch nie in meinem Leben etwas gehört hatte.
Peter Waldecks zweiter Roman „Triumph des Scheiterns" ist als bitterböse Abrechnung mit den alten, weißen Männern zu lesen. Aber auch der feministische Aktionismus bekommt hochkomisch sein Fett weg. Ganz nebenbei lernt man noch etwas über die Malerdynastie Brueghel. Ein Buch wie ein Gemälde des „Höllenbrueghel": Wer makabren Witz mag, ist hier richtig.
Erzählt wird die Geschichte in tagebuchartigen Einträgen von Caspar Orlando Tuppy, einem Ästhetikprofessor und Brueghel-Kenner mit weißen Dreadlocks, zweifelhaftem Sinn für Humor und einer Vorliebe für junge Studentinnen. Während er früher in Podiumsdiskussionen als gefragter, pointiert kritisierender Intellektueller auftrat, Lesungen und Vorträge hielt, brachten ihn gesellschaftliche Umbrüche aufs Abstellgleis. Um seine Karriere wieder anzuschieben, kommt Tuppy ein Anruf der gefeierten Jung-Literatin Karina Wintertod gerade recht. Zwar hatte er sie öffentlich kritisiert und hält ihre Arbeiten für "was für junge Leute, die noch nicht viel gelesen" haben, dennoch lässt er sich nach Wien einladen, in der Hoffnung, sie zu einer gemeinsamen Brueghel-Kabarettshow überreden zu können. Er soll ihr bei einem Beitrag zu einer Anthologie helfen. Thema ist Marth Brueghel, die Mutter der Malerdynastie und selbst begabte Malerin. Dumm nur, dass Tuppy von der noch nie etwas gehört hat.
Statt das zuzugeben, lässt er sich, begleitet von zwei schmarotzenden Freunden, der drogenabhängigen Josefine und dem Schauspieler August, auf den Ausflug nach Wien ein, eine Stadt, an die er nicht die besten Erinnerungen knüpft. Er landet in einer Inszenierung voller schlafloser Nächte, wilder Kunstpartys und fröhlicher Skelette, die sich als ganz persönlicher Höllenrausch entpuppt. Als Leser weiß man recht bald, was auf die nicht eben sympathische Hauptfigur zukommt: Das Buch ist wie ein Autounfall. Man weiß, man sollte, kann aber nicht wegsehen. Der eitle Tuppy ist dafür blind, er erweist sich gegenüber der fordernden Feministin Karina Wintertod und ihren hippen Mitstreiterinnen als ziemlich anpassungsfähig, denn er ist bereit alles zu tun, um der drohenden Altersarmut zu entkommen, selbst, wenn das heißt, sich in lila Strumpfhosen zu zwängen.
In Gruselgeschichten-Einschüben bricht in einer auf alt getrimmten, gegen Ende nur mehr schwer lesbaren Kunstsprache die makabre Welt der Brueghels auf Tuppy und den Leser herein, diese schwappt schließlich auch in Tuppys Realität hinüber. Seine Welt gerät aus den Fugen. Ihm dabei zuzuschauen, wie er sich selbst eine Grube gräbt, macht einfach Spaß, auch wenn das ganze einen ernsthaften Hintergrund hat. Waldeck hat im Text Sprichwörter verarbeitet, da ist einmal Feuer am Dach, Tuppy wird durch den Kakao gezogen oder angeschüttet (mit Bier). Nicht nur eine Figur trägt erkennbar Züge realer Vorbilder.
Der Wiener Autor, der unter anderem für seine schrägen Performancetheaterarbeiten mit der Gruppe „Casa del Kung Fu" und seinen Debütroman „Die 67 enttäuschendsten Sexfilme aller Zeiten" (2017) bekannt ist, hat die Selbstzerstörung des alten, weißen Mannes und den verzweifelten Kampf um seine Pfründe zu einer lustigen Sache gemacht.
„Ein Höllenspaß", preist der Milena Verlag das Buch an – dem kann man durchaus zustimmen.
APA (Juli 2020)
Peter Waldeck, „Triumph des Scheiterns“, Milena Verlag
Peter Waldeck: Generell als Gegengift zum grassierenden Selbstoptimierungswahn versetze ich mich gerne in die Haut von extrem fehlerhaften und mängelhaften Personen und leb das quasi aus, das ist mein Eskapismus. Und jetzt ist er im Jagdgewehr der Jungen, der alte weiße Mann. Und das war dann natürlich besonders spannend mich da reinzuversetzen und eben das alles noch höher zu spielen, was man da falsch machen kann in dieser Rolle.
Der „alte weiße Mann“ ist eine vom Aussterben bedrohte Art, könnte man meinen. Als klassisches Feindbild moderner Feministinnen steht er ganz oben auf deren Abschussliste. Bald könnte er nur noch im Museum zu bestaunen sein, befürchtet Peter Waldeck und hat sich daran gemacht, ihm ein satirisches Denkmal zu setzen. Vor allem in den sozialen Medien ist der alte weiße Mann kontinuierlich gefährlichen Angriffen ausgesetzt. Mit flapsigen Phrasen wie „Time’s Up“ und „Ok, Boomer“ werden seine „Mansplaining“-Versuche schonungslos abgewürgt.
Peter Waldeck: Man kann ja auch durchaus mit den Augen rollen, wenn der Sloterdijk einen Roman über den weiblichen Orgasmus schreibt, wo die Figuren dann so „Harry Mösenlechzen“ oder so heißen. Also das ist ja dann durchaus auch angebracht. Der alte weiße Mann ist da nicht ganz unschuldig dann.
In Peter Waldecks Buch „Triumph des Scheiterns“ dürfen wir ein Exemplar dabei beobachten, wie es – durch gesellschaftliche Umwälzungen in die Enge getrieben – von einem politisch unkorrekten Fettnapf in den nächsten stolpert. Der Protagonist mit dem klingenden Namen „Caspar Orlando Tuppy“ hat seine beste Zeit hinter sich. In den 80er Jahren moderierte er eine bedeutende Kunstsendung im Fernsehen, später wurde er zu einer belanglosen Gesprächssendung im Radio degradiert. Mittlerweile ist er Ästhetikprofessor an der Universität Wiesbaden und träumt von der Wiederbelebung seiner Karriere: Er hat ein Konzept für ein neuartiges Edutainment-Format entwickelt, basierend auf Gags mit bildender Kunst. Im Mittelpunkt soll das Bild „Triumph des Todes“ von Pieter Brueghel stehen.
Peter Waldeck: Auf dem Bild „Triumph des Todes“ sieht man eine Heerschar von Skeletten, die extrem motiviert die Menschen quälen. Und es ist wirklich ein wunderbares Wimmelbild an Qual und Leiden. Und das Schöne ist, die Skelette freuen sich so und die Menschen sind so müde. Also sie sind gar nicht so richtig erschrocken, sondern es ist so ein gequältes Leiden und Sterben. Und das hat einfach eine wahnsinnig morbide Faszination auf mich und eben auch auf den Helden des Buches.
Vielleicht gründet sich die Begeisterung des Protagonisten für das Gemälde in der vagen Vorahnung seines Schicksals. Tuppy will mit der Brueghel-Kabarett-Show neu durchstarten, allein die dazu nötigen Kontakte zur Kulturszene fehlen ihm. Da kommt es wie gerufen, dass sich die Wiener Kultautorin Karina Wintertod bei ihm meldet und ihn für ein gemeinsames Projekt gewinnen will. Wintertod ist, wie man unschwer erkennen kann, einer realen Persönlichkeit nachempfunden.
Peter Waldeck: Also ich hab mich von den medialen Eckpunkten sehr an der Stefanie Sargnagel orientiert. Weil das natürlich eine Top-Gegenspielerin ist für einen solchen Lackaffen oder Charakter wie den Caspar Orlando Tuppy. Aber es ist jetzt nicht vom Charakter her die Sargnagel, ich hab die anders angelegt, ich kenn sie jetzt auch nicht persönlich. Also ich könnt jetzt auch gar nicht sagen, vielleicht hab ich sie gut getroffen, aber das wär dann eher Zufall.
Tuppy beginnt sich bei der hippen, feministischen Autorinnenszene in Wien anzubiedern, zunächst durchaus aussichtsreich. Ein Vertrag mit dem Rabenhoftheater scheint in greifbarer Nähe. Dass sein Bestreben nicht von Erfolg gekrönt sein wird, verrät schon der Titel des Romans, das Ausmaß der finalen Katastrophe sucht jedoch seinesgleichen. Peter Waldecks „Triumph des Scheiterns“ ist eine köstliche Karikatur auf den Kulturbetrieb und ein Kommentar zur oftmals gerade dort genüsslich zelebrierten Erregungskultur. Mehrere Figuren werden im Buch Opfer eines vernichtenden Shitstorms.
Peter Waldeck: Meine These ist ja, dass wir momentan in einem riesigen sozialen Experiment stecken mit diesen Social Medias. Wo jetzt die Kommunikation plötzlich vermehrt über Schrift läuft, wo man nicht mehr das Gegenüber sieht, die Mimik sieht, den Tonfall hört, sondern es läuft alles über Schrift und hat auch noch dieses Belohnungssystem dabei, dass desto krasser man etwas ausformuliert, desto mehr Likes kriegt man. Und da ist der Mensch eigentlich nicht dafür quasi gemacht und es geht im Moment auch recht schief, finde ich.
Die affektierten Tagebucheinträge des pseudo-coolen Intellektuellen Tuppy lassen uns unmittelbar an dessen selbstverursachtem Untergang teilhaben. Dazwischen gibt es altmodische Gruselgeschichten rund um Pieter Brueghel und seine Nachfahren, teilweise geschrieben in einem erfundenen Mittelalter-Plattdeutsch. In diesen eingeschobenen Kapiteln findet die Selbstzerstörung auch in der Sprache ihre Entsprechung. Gegen Ende hin wird diese immer verworrener und löst sich quasi selbst auf.
Peter Waldeck: Die Verlegerin ist da noch eingeschritten, dass es noch lesbar ist. Also in der ersten Fassung waren die überhaupt kaum mehr… das waren nur noch irgendwelche dadaistischen Floskeln.
Das Scheitern als existentielle Grunderfahrung ist ein altes Thema künstlerischer Auseinandersetzung. In der bildenden Kunst beispielsweise zeigt das Vanitasbild die Eitelkeit und Nichtigkeit alles Irdischen und erinnert durch Motive wie Totenschädel und Skelette an die Vergänglichkeit menschlichen Daseins. Die Lust am leidenschaftlichen Versagen macht das Scheitern – gerade in Verbindung mit Komik – zu einer dankbaren Angelegenheit, das weiß auch Peter Waldeck. Schon in seinem Debütroman hat er sich dem Abstieg eines verzweifelten Philosophen gewidmet. Aber es gibt auch anregende Gegenbeispiele, meint der Autor und nennt etwa den dritten Teil von Stieg Larssons „Millennium-Trilogie“.
Peter Waldeck: Da waren Bösewichte, und dann sind die Guten gekommen und haben jeden Plan von den Bösewichten sofort wieder zunichte gemacht. Und eigentlich das ganze Buch hindurch haben die nur dauernd gewonnen, gewonnen und gewonnen. Hab ich auch mal interessant gefunden, weil da natürlich die Spannung raus war. Vielleicht ist das jetzt quasi mein nächster Ansatz. Einfach eine gelungene Geschichte und einen gelungenen Weg schreiben.
Ö1 Ex libris, Dezember 2019 Alte weiße Männer
Der Wiesbadener Ästhetikprofessor Caspar Orlando Tuppy, Typ alternder Besserwisser mit Angst vor Machtverlust, wird von einem gefeierten Wiener Facebook-“Fräuleinwunder“ namens Karina Wintertod um einen Text für eine Anthologie gebeten. Ausgangspunkt eines schrägen Romans des Trashtheater-Spezialisten Peter Waldeck, bei dem alle Neigungsgrippen ihr Fett abbekommen. Like!
Trend, Dezember 2019 Schlimmer geht immer
Sinnbild des Lebens: die Bananenschale. Im klassischen Stummfilm sehen wir sie alle liegen, doch der Protagonist rutscht selbstverständlich darauf aus. Trotz aller gegenteiligen Behauptungen, es gibt im Leben keine Sieger. Hinter jeder Ecke die nächste Katastrophe. Wir alle haben Angst vor ihr und dem daraus resultierenden Chaos. Wir alle stürzen uns munter in sie hinein.
Slapstick ist laut gängiger Theorie der Triumph des Komischen über das Scheitern. Es tut zwar weh, wenn man verliert, aber ab jetzt kann man sich wieder ein wenig weniger vor einem Sturz fürchten. Man kann darüber lachen. Schlimmer kann es nicht mehr kommen.
Immerhin hätte es ohne das Scheitern nicht den Sirtaki in Alexis Zorbas gegeben, ohne die Pestgrube würde der liebe Augustin nicht so fröhlich darüber singen, dass alles hin ist. Scheitern als Chance!
Autor Peter Waldeck wurde in den 1990er-Jahren mit seiner trashigen Performancegruppe Casa Del Kung Fu und garantiert künstlerisch wertlosen Produktionen wie Fantomas – das Action Musical bekannt. Literatur, Manga, Bauerntheater für Bobos und ein Faible für Wrestling gingen im Ring gemeinsam zu Boden.
Literarischer Slapstick
Als Schriftsteller begeisterte der Wiener Spitzbub 2017 mit seinem Roman Die 67 enttäuschendsten Sexfilme aller Zeiten. Darin ging es nur wenig um Sex. Vielmehr knallte ein alter weißer Babyboomer in einer gleichnamigen Kolumne für das kaum noch bekannte Junggesellenmagazin Vice aus den frühen Zehnerjahren öffentlich zunehmend durch.
Ähnlicher Stoff, allerdings noch irrwitziger angelegt, wird jetzt von Peter Waldeck in seinem literarischen Slapstick Triumph des Scheiterns geboten. Die Hauptfigur mit dem begeisternd-blöden Namen Caspar Orlando Tuppy befindet sich karrieremäßig auf Talfahrt.
Der Ästhetikprofessor an der Uni Wiesbaden mit dem zu schicken Dreadlocks geflochtenen Haar ist aufgrund des zunehmenden Verlusts seiner erotischen und intellektuellen Anziehungskraft aus der Mode gekommen und auch als Moderator einer eigenen Kultursendung im Fernsehen und Experte für alles und speziell für die Malerdynastie Brueghel im Fernsehen nicht mehr gefragt.
Das Gute ist trostlos
Gut, dass ihn aus Wien-Bobostan eine Anfrage der Facebook-Dichterfürstin Katarina Wintertod erreicht. Tuppy soll für eine Anthologie einen Text über die Brueghel-Übermutter und geniale Malerin Marth Brueghel schreiben. Blöd nur, dass keiner von ihr je gehört hat ...
Es folgt eine Reise tief ins Herz eines unterbelichteten Narzissmus und in das idyllische Leben der jungen Wiener Selbstoptimierungselite. Hier wird zwischen Mansplaining, Cultural Appropriation, Critical Whiteness, guter alter Hybris, Lackaffentum und schlichter Blödheit alles aufgefahren, was am Watschenbaum der politischen Korrektheit rüttelt. Großes Tennis! Lachen tut weh. Das Gute hat in der Kunst nichts verloren. Das Gute ist trostlos.
Der Standard, Christian Schachinger, 12.2019 Der lustige Niedergang des alten, weißen Deppen
Wenn einem die Welt nicht mehr gefiel, gab es nicht viele Möglichkeiten. Entweder die Welt war wirklich schlechter geworden, oder man selbst wurde zum Narren." In seinem hochkomischen Roman "Triumph des Scheiterns" schreibt Peter Waldeck, der mit Theaterproduktionen wie dem Action-Musical "Fantomas" in Wien berühmt-berüchtigt wurde, über die Urangst alternder Besserwisser und Weiberer, von den Schalthebeln der Macht vertrieben zu werden. Sein Protagonist, ein Wiesbadener Ästhetikprofessor mit dem herrlich bescheuerten Namen Caspar Orlando Tuppy, ist allerdings zu eitel, um zu bemerken, dass er sich zum Narren macht.
Ein innerer Monolog von ihm geht so: "Ich mochte junge Frauen. Ich mochte ihre Neugierde, das unbeschriebene Gesicht, die wogenden Brüste." Wohl spürt er die Angst vor der Altersarmut, denn er wird nur noch zu C-Promi-Podien geladen. Seine Rettung sieht er in einer Pieter-Bruegel-Show rund um das Wimmelbild "Triumph des Scheiterns". Um diese zu pushen, kommt es ihm recht, dass ihn der Wiener Facebook-Star Karina Wintertod um einen Text für eine Anthologie bittet.
Tuppy überwindet seinen Unwillen gegenüber dem Millennial-"Fräuleinwunder", deren Texte er so zusammenfasst: "Heute beim Furzen lautstark zu menstruieren begonnen. Nachher Buchteln im Hawelka." Er reist nach Wien und dackelt ihr dort in steigender äußerer und innerer Derangierung nach: "Die Gulaschknödel knarzten in meinem Mund wie ein Kindersarg, aber so war das eben in meinem Wien, dem herrlichen Wien."
Die Hauptfigur ist auf so lustige Art neben der Spur, dass die nötige Fallhöhe gegeben ist, um dem eitlen Fatzke gern zu folgen. Die unfreiwillige Komik seiner Erzählung ist groß. Als ihm Wintertod den Begriff "Mansplaining" vorstellt, klärt er sie auf, "dass es korrekterweise Manxplaining heißen müsse, da in explaining kein S vorkommt". Nach guter Edel-Trash-Manier kriegen aber alle ihr Fett ab, auch die junge Aggro-Feminismus-Avantgarde.
Falter, BUCH DER STUNDE, Dominika Meindl, November 2019 Lesung auf FM4: