€ 24.00

ISBN 978-3-903460-11-9
mit Farbfotos des Autors
184 Seiten
gebunden mit SU

Sascha Skotton

NACHTSCHICHT

Jede Nachtschicht ist anders – man weiß nie, wer als Nächster einsteigt. Sind es betrunkene Partygäste, redebedürftige Herzausschütter, Business-Telefonierer oder ist es der schweigsame Denker? Ein Wiener Taxifahrer plaudert aus dem Nähkästchen und nimmt uns mit auf eine Vergnügungsfahrt zu den Schauplätzen seiner skurrilsten Begegnungen.

Zwei Jungs werden aus einem Ringstraßen-Club geworfen, eine ältere Dame berichtet von ihrer Heizdeckenfahrt, ein betrunkener Bayer erinnert sich nicht mehr an den Namen seines Hotels, ein Schimpanse greift dem Lenker ins Steuer, ein Musiker singt italienische Schlager am Beifahrersitz, ein Mops hyperventiliert auf der Rückbank, ein Mädchen philosophiert über die Vergesslichkeit von Goldfischen, ein misstrauischer Fahrgast tritt seine letzte Taxifahrt an ...
Von solchen und noch mehr skurrilen Begebenheiten handeln die Geschichten in diesem sehr lebendigen Buch, Sascha Skotton, leidenschaftlicher Taxifahrer mit viel Herz und Humor hat die besten Erlebnisse gesammelt.

Die besten selbst erlebten Wiener Taxi-Geschichten, steigen Sie ein und fahren Sie mit durch die Nacht.

3 Uhr 30: Ein sturzbetrunkener Typ steigt in der Sonnenfelsgasse ein.
„Servusgrüßdich!“
„Hallo!“
„I glaub, es is bessa, i foa z'haus.“
„Is besser vielleicht.“
„Foama in 20. Bezirk. Mochstma an guten Preis?“
„Normaler Preis halt.“
„20. Bezirk, Webergasse. Kennst du das?“
„Sicher. Webergasse. Kenn ich.“
„Was kannst du mir machen für einen Preis?“
„Ich mach dir den normalen Preis, weil Spezialpreis kostet mehr.“
„Brauchst nix die Uhr aufdrehn. Scheiß auf die Uhr!“
„Okay.“
„Na, scheiß auf die Scheißuhr. I wü sie ned segn, diese Scheißuhr.“
„Siehst sie eh nicht von da hinten.“
„Nein ich will sie nicht sehn ... schalt ab. Kannst du sie abschalten?“
„Vergiss die Uhr.“
„Na, i wü s' ned segn ... den SCHEISSDRECK! Alles Kontrolle, vastehst. Du wirst auch kontrolliert. Das ist die UHR, vastehst. Du wirst kontrolliert von der Uhr, ja?“
„Vorm heiligen Taxameter sind alle gleich.“
„Olle weama kontrolliert ... olle, olle, olle, olle, außerm Reinhold Messner.“
„Bitte?“
„Außerm Reinhold Messner ... achttausend Meter ohne Sauerstoff. Der is oag, ja? Alle Achttausender. Geh amal dort auffe ... BIST DU DEPPAT!“
(…)

Three-Sixty



1 Uhr. Zwei Jungs steigen bei der Passage am Ring ein.

»Geht, Bruda?«
»Ja, geht.«
»Fahrma Club Viva. Geht?«
»Ja, geht.«
»Oda geht nicht, Bruda?«
»Doch, geht.«
»Wenn nicht geht, Bruda, verbotene Zone, dann sag es.«
»Ja, is verbotene Zone.«
»Haha, is verbotene Zone?«
»Ja, ich hab kein gutes Gefühl. Bei der Passage aber auch nicht.«
»Die ham uns rausghaut da, Bruda.«
»Ja?«
»Bruda, weißt warum …«
Zum anderen: »Bruda, du bist zu aggressiv, Mann.«
»Wieso?«
»Du willst irgendwelche Typ mit Brille haun, Bruda.«
»Heast, er hat mich komplett angeschüttet.«
»Heast, ich wurde dreimal angeschüttet. Glaubst, ich will jetzt irgendwen hauen deswegen?«
»Er wollt’ mir Glas wegnehmen, Mann.«
»I waß ned, Mann. Es zahlt sich nicht aus. Was, wenn du ihn gehaut hättest? Was wär dann, Bruda?«
»Dann würd’s mir bessa gehn.«
»Dir würd’s nicht bessa gehn.«
»Ich hab ihn eh nicht gehaut, Bruda.«
»Aber du wolltest ihn haun. Ich hab’s in deinen Augen gesehn.«
»Heast …«
»Bruda! Ich hätte ihn gehaut wenigstens. Ich versteh dich nicht, Mann. Ich hätte ihn gehaut und …«
»Ich komm so, und er …«
»… und dann gibst du ihm eine.«
»Er wollte mir Glas wegnehmen, Mann.«
»Egal.«
»Ich hab ihn eh nicht gehaut.«
»Ur Kindergarten, Bruda.«
»Heast, er hat …«
»Aber du hättest ihn … nur kurz, Bruda … bisschen: Du zwickst ihm in Backe, weißt … Dann weiß er schon – du bist krank, Bruda.«
»Er war verschwunden auf einmal.«
»Ja, seine Freunde ham ihm gesagt, er soll weggehn.«
»Er war weg auf einmal.«
»Aber, Bruda, du hättest das schneller klären sollen, Mann. Viel schneller.«
»Ich hab’s geklärt.«
»Du hättest sagen sollen: ›Ich piss dir auf die Hose, Mann.‹«
»Ich …«
»Du sagst: ›Ich piss dir auf die Hose, Mann, wenn du nicht gehst.‹«
»Heast.«
»Was kann passieren, Bruda?«

»Heast, sie tun so, als wärn sie urcool.«
»Ich hätte ihn angepisst, Bruda.«
»Heast, ich wollte …«
»Wo ist das Problem, Bruda. Du packst aus Schwanz … er macht Foto … es is online – wo ist Problem?«
»Ich bin nicht so ein Schwein.«
Zu mir: »Siehst du, Bruda, er wird gleich persönlich. Bruda, warum wird er persönlich?«
Ich zum anderen: »Warum wirst du persönlich, Bruda?«
»Haha. Aber er is der Beste, Bruda. Ich liebe ihn.«
Zum anderen: »Aber du hast viel zu lange mit denen diskutiert, Mann.«
»Heast, die ham alle Angst.«
»Du sagst: ›Entweder, Bruda, du verpisst dich, oda ich verpiss mich.‹ Und fertig. Was soll ich da diskutiern über Unwetter. Was soll ich da über es regnet draußen … irgendwas.«
Beim Club Viva:
»Kömma hier aussteigen?«
»Bruda, bleib sitzen, er macht noch an Three-Sixty.*«
»Haha, na, die Baustelle is im Weg.«
»Was schuld ich dir, Bruda?«
»9,70 macht’s aus.«
»Mafiosi, Bruda. Warte kurz (er gibt mir einen Zehner). Arbeitest die ganze Nacht?«
»Ja.«
»Dann viel Spaß noch, Bruda.«
»Euch auch. Aber geht’s bitte vorher noch aufs Klo.«

* Three-Sixty: Dabei lässt man das Fahrzeug mit angezogener Handbremse auf der Stelle rotieren.




Kaugummi



0:30 Uhr. In der Brigittenau steigt ein junges Mädchen ein.

»Hallo.«
»Hallo, zum Andagio, bitte.«
»Okay.«

»Machma andere Musik?«
»Was wollen Sie denn hören?«
»Irgendwas Normales halt.«
»Radio Energy?«
»Irgendwas Normales halt. System of a Down, oder so.«
»Okay.«

»Mir is schlecht.«
»Soll ich rechts ranfahren?«
»Na, geht schon. Ich kann mich noch zamreißn, bis ma dort sind.«
»Danke, sehr kooperativ.«
»Zahlt das die Versicherung, wenn ich ins Taxi speib?«
»Das glaub ich nicht, haha.«
»Es ist halb eins, und ich bin schon ur betrunken!«
»Das muss so sein. Als Fahrgast sind Sie sogar verpflichtet,
alkoholisiert zu sein. Sonst nehm ich Sie gar nicht mit.«
»Ab jetzt trink ich nur noch Wasser.«
»Das glaub ich Ihnen nicht, und außerdem: Friseure und Taxifahrer lügt man nicht an.«
»Mach ich auch nicht, wirklich. Ich zahl jetzt zehn Euro Eintritt dafür, dass ich nur mehr Wasser trink.«
»Fürs Wiener Hochquellwasser, das beste Wasser der Welt.«
»Fürs Wasser zahl ich dann ja noch amal, das is ja das.«
»Dann gehn S’ einfach aufs Klo Wasser trinken.«
»Na, die machen das ja absichtlich warm.«
»Echt? So ein Saftladen.«
»Fahrn Sie nur in der Nacht?«
»Ja.«
»Muss ich schon Nachtzuschlag zahlen eigentlich?«
»Ja, um halb eins ist die Nacht schon hereingebrochen. Aber weil ich ja den schnellsten und kürzesten Weg fahr und auch noch grüne Welle zaubere für Sie, kostet’s grundsätzlich weniger als am Tag.«
»Der Abend kostet mich ein halbes Vermögen. Ich hab vorher schon 32 Euro für zwei Wodka bezahlt, ohne dass ich ein
Ottakringer und drei Long-Island-Ice-Tea getrunken hab. Und jetzt auch noch der Nachtzuschlag. Ur teuer! Gibt’s kan
Rabatt?«
»Das ist sowieso schon der Sommerschlussverkaufspreis.«
»Und wenn ich Ihnen einen Kaugummi untern Sitz pick?«
»Dann freu ich mich, weil auf so originelle Ideen kommt ja heutzutage kaum noch wer.«
»Samma schon da?«
»Ja.«
»Ich muss dann so in etwa drei Stunden nach Floridsdorf. Stehn Sie dann noch da?«
»Vielleicht.«

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